2.4 Eignung

Eignung

Überblick

Zentrales Anliegen eines jeden Auftraggebers ist die Vergabe öffentlicher Aufträge an Unternehmen, die in der Lage sind, die geforderten Leistungen zufriedenstellend zu erbringen. Durch eine öffentliche Ausschreibung ist jedoch prinzipiell jedes Unternehmen, das von der Ausschreibung Kenntnis erlangt, in der Lage sich zu bewerben – unabhängig davon, ob Erfahrungen mit den zu beschaffenden Leistungen vorhanden sind.

Um von vornherein diejenigen Unternehmen auszuschließen, die die geforderten Leistungen voraussichtlich nicht erbringen können, wird in aller Regel eine Eignungsprüfung frühzeitig vorgenommen: Im Rahmen eines offenen Verfahrens werden die Eignungsnachweise mit dem Angebot vorgelegt, während bei einem Verfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb zunächst die Eignungsangaben abgefordert werden, bevor die geeigneten Unternehmen zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert werden.

Die Anforderungen an die Unternehmen und die einzureichenden Unterlagen zum Nachweis der Eignung sind bereits in der Bekanntmachung zu definieren (vgl. 2.3.2. Auftragsbekanntmachung).

Grundsätzlich sind zwei Verfahren vorgesehen, um die Eignung der Unternehmen zu prüfen: Einerseits die klassische Eignungsprüfung und andererseits der (ggf. teilweise) Eignungsnachweis durch Präqualifizierungssysteme (vgl. 2.4.7. Präqualifizierungssysteme). Durch die Einführung der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung (EEE) wurde das grundsätzliche System der Prüfung sämtlicher Eignungsunterlagen zur Entlastung von Unternehmen und Auftraggebern durchbrochen. (vgl. 2.4.6. Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE)).

Zur Beurteilung der Frage, ob ein Unternehmen geeignet ist, die zu beschaffenen Leistungen zu erbringen, sind vom Auftraggeber Eignungskriterien zu definieren, anhand derer die Eignung beurteilt wird (vgl. 2.4.1. Aufstellung Eignungskriterien). Anschließend wird der öffentliche Auftraggeber die eingereichten Unterlagen auf die Erfüllung der Eignungskriterien überprüfen (vgl. 2.4.2. Prüfung Eignung).

Bei Verfahren mit einem vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb werden nur die geeigneten Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert. Sofern der öffentliche Auftraggeber dabei im Bekanntmachungstext eine Reduzierung des Bewerber- bzw. Bieterkreises vorgesehen hat, werden zuvor die „geeignetsten“ Bewerber im Wege eines Teilnahmewettbewerbes ermittelt (vgl. 2.4.3. Teilnahmewettbewerb und Reduzierung).

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2.4.1Aufstellung Eignungskriterien 2.4.1Aufstellung Eignungskriterien

Die „klassische“ Eignungsprüfung erfolgt anhand der vom Auftraggeber festgelegten Kriterien (sog. Eignungskriterien). Diese sind vom Auftraggeber zu entwickeln und in der Bekanntmachung festzuschreiben (vgl. 2.3. Veröffentlichung). Die Kriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen. Außerdem dürfen ausschließlich solche Kriterien definiert werden, welche

  • die Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung,
  • die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit oder
  • die technische und berufliche Leistungsfähigkeit

betreffen. Diejenigen Unternehmen, welche die definierten Eignungskriterien erfüllen, gelten als geeignet, die ausgeschriebene Leistung zu erbringen.

In der Bekanntmachung sind Eignungskriterien und Mindestanforderungen klar als solche zu kennzeichnen und auch die Konsequenzen der Nichterfüllung der Anforderungen sind eindeutig darzustellen. Ein Ausschluss ist nur dann gerechtfertigt, wenn der durchschnittliche Bewerber bzw. Bieter erkennen kann, welche Nachweise er erbringen muss.

Übersicht Eignungskriterien
Übersicht Eignungskriterien
Besonderheiten SektVO

Sektorenauftraggeber sind nicht an die o. g. Aufzählung gebunden, sondern können auch andere objektive Kriterien zur Eignungsprüfung entwickeln.

Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung

Das erste vom Gesetzgeber zugelassene Eignungskriterium ist die Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung. Hierbei handelt es sich um Kriterien, die die Leistungserbringung erst ermöglichen, da z. B. gewisse Qualifikationen (z. B. Studienabschlüsse, Ausbildungsabschlüsse etc.) zur Leistungserbringung erforderlich sind.

Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit

Das zweite vom Gesetz zugelassene Eignungskriterium ist die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit. Durch die Überprüfung der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit soll sichergestellt werden, dass sich ausschließlich solche Unternehmen als geeignet qualifizieren, die wirtschaftlich und finanziell in der Lage sind, ein Vorhaben einer bestimmten Größenordnung zuverlässig zu realisieren.

Üblicherweise wird zur Beurteilung dieser Kriterien die Angabe von mittleren Jahresumsätzen gefordert. Aus den Umsätzen lässt sich mit einiger Sicherheit ableiten, welche Größenordnungen ein Unternehmen für gewöhnlich bedient. Außerdem kann bspw. der Nachweis über bestehende (Berufshaftpflicht-)Versicherungen oder eine Bankauskunft angefordert werden, um ein genaueres Bild von einem Unternehmen zu erlangen.

Technische und berufliche Leistungsfähigkeit

Das dritte zugelassene Eignungskriterium ist die technische und berufliche Leistungsfähigkeit. Bei diesem Kriterium handelt es sich um das Herzstück der Eignungsprüfung, da an dieser Stelle insbesondere die Referenzen abgefragt werden. Neben den Referenzen können auch weitere Unterlagen und Nachweise abgefordert werden, um die technische und berufliche Eignung einschätzen zu können: Beispiele hierfür sind etwa Eigenerklärungen bezüglich der Belegschaft, der Qualifikation (einschl. Studienabschlüsse) des eingesetzten Personals oder der Nachweis vorhandener (technischer) Infrastruktur. Je nachdem, welche Informationen der Auftraggeber abfragt, empfiehlt sich unter Umständen die Erstellung von Formblättern anhand derer die Unternehmen die geforderten Angaben machen können.

Referenzen. Aus den Referenzen ergibt sich, ob ein Unternehmen mit der Art der zu beschaffenden Leistungen bereits Erfahrungen hat und auch zur praktischen Umsetzung in der Lage ist. Der Auftraggeber ist an dieser Stelle gehalten, die Leistungsart so konkret wie möglich zu bestimmen, da nur so gewährleistet ist, dass auch wirklich vergleichbare Referenzen angeführt werden. Die Konkretisierung der geforderten Leistungsart sollte daher mit branchenüblichen Standards beschrieben werden. Außerdem empfiehlt sich eine Definition von Leistungszeiträumen, in denen die Referenzen erbracht wurden. Bei der Bemessung des Referenzzeitraumes ist jedoch stets die gewöhnliche Dauer eines vergleichbaren Projekts zu beachten: Während kleinere Vorhaben ohne großen Planungs- und Umsetzungsaufwand kurzfristig erledigt werden können, dauern Großprojekte in der Regel deutlich länger. Gleichzeitig muss der Auftraggeber darauf achten, dass er nicht zu hohe inhaltliche Anforderungen an die Referenzen stellt, um das Verhältnis zur zu beschaffenden Leistung zu wahren und nicht Gefahr zu laufen, grundsätzlich geeignete Unternehmen durch zu hohe Anforderungen abzuschrecken bzw. ausschließen zu müssen.

Teilweise geben die Vergabeordnungen an dieser Stelle vor, wie lang der Referenzzeitraum in der Regel sein darf. Sofern von den dort genannten Zeiträumen abgewichen werden soll, ist dies grundsätzlich zu begründen.

Weitere Nachweise. Sofern es bei der Leistungserbringung auf weitere leistungsspezifische Fähigkeiten bzw. Know-How und / oder Infrastruktur ankommt, kann der Auftraggeber entsprechende Belege und Nachweise anfordern: So kann es unter Umständen – gerade bei technisch anspruchsvollen – Aufgaben oder Leistungsgegenständen entscheidend auf die Qualifikation des Personals oder besonderer Hard- und Software ankommen.

Der Auftraggeber kann den Nachweis der Unterhaltung eines Qualitätsmanagement-Systems und eines Umweltmanagement-Systems verlangen. Dabei kann festgelegt werden, dass bestimmte Zertifikate zum Nachweis genügen. Sofern das Unternehmen ein vergleichbares, nicht zertifiziertes System unterhält, darf es jedoch nicht automatisch wegen eines fehlenden Zertifikats ausgeschlossen werden: Zertifikate bescheinigen zwar, dass gewisse Standards eingehalten werden; gleichzeitig kann aber bei solchen Unternehmen, die nicht über die entsprechenden Zertifikate verfügen, nicht selbstverständlich davon ausgegangen werden, dass sie die Anforderungen nicht erfüllen bzw. nicht erfüllen können.

Ebenso verhält es sich mit Gütesiegeln: Sofern der Auftraggeber zum Beleg der Eignung prüfen möchte, ob ein Unternehmen Waren liefern kann, die gewissen Qualitätsstandards entsprechen, kann festgelegt werden, dass ein Gütesiegel zum Nachweis genügt. Gleichzeitig sind jedoch Konkurrenzprodukte, die nicht über ein entsprechendes Gütesiegel verfügen, ebenso zu berücksichtigen, sofern sie die festgelegten Eigenschaften erfüllen.

Insofern können Zertifikate und Gütesiegel nur nachgeordnet berücksichtigt werden. Primär kommt es darauf an, ob die definierten Anforderungen erfüllt werden. Ein Gütesiegel bzw. ein Zertifikat kann daher lediglich als Beleg der Erfüllung der aufgestellten Kriterien gewertet werden.

Ein Sonderfall der Ungeeignetheit aufgrund fehlender beruflicher Leistungsfähigkeit ist eine mögliche Interessenskollision. Eine solche liegt vor, wenn das Unternehmen Interessen hat, die mit der Ausführung des Auftrags im Widerspruch stehen und sie nachhaltig beeinflussen können.

Mindestanforderungen

Durch entsprechende Festlegungen im Bekanntmachungstext kann der Auftraggeber bestimmte Angaben, Unterlagen oder Nachweise als „Mindestanforderung“ definieren. Durch Mindestanforderungen legt der Auftraggeber bestimmte Mindeststandards fest, die ein Unternehmen erfüllen muss, um generell als „geeignet“ bewertet werden zu können. Gleichzeitig bindet sich der Auftraggeber dahingehend, dass er diejenigen Unternehmen als ungeeignet ausschließt, die die Mindestanforderungen nicht erfüllen.

Mindestanforderungen beschreiben diejenigen Anforderungen, die der Auftraggeber als notwendig ansieht, um die Leistungserbringung sicherzustellen. Unternehmen, welche die Mindestanforderungen nicht erfüllen, sind daher ungeeignet – unabhängig von etwaigen weiteren Unterlagen.

Dem Auftraggeber steht es frei, ob er ausschließlich Mindestanforderungen definiert oder ob er eine Mischung aus Mindestanforderungen und sonstigen Nachweisen festlegt. Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang Mindestanforderungen definiert werden sollen, hängt davon ab, wie der Auftraggeber das jeweilige Verfahren konkret ausgestalten möchte: Sofern es dem Auftraggeber lediglich auf die Einhaltung von gewissen Mindeststandards ankommt, kann festgelegt werden, dass sämtliche Unternehmen, die die Mindestanforderungen erfüllen, auch zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Im offenen Verfahren werden dementsprechend nur die Angebote derjenigen Unternehmen berücksichtigt, die die Erfüllung der Mindestanforderung nachgewiesen haben. Wenn der Auftraggeber ein umfassenderes Bild vom jeweiligen Unternehmen erhalten möchte und ggf. eine Reduzierung vornehmen will, empfiehlt es sich, neben Mindestanforderungen auch sonstige Nachweise abzufordern anhand derer die geeignetsten Unternehmen ermittelt werden können (vgl. 2.4.3. Teilnahmewettbewerb und Reduzierung).

Außerdem können Überlegungen zur Marktreaktion Einfluss auf diese Entscheidung haben: Sofern ohnehin nur wenige spezialisierte Unternehmen als Vertragspartner in Betracht kommen, kann festgelegt werden, dass sämtliche Unternehmen, die bestimmte Mindestanforderungen erfüllen, auch zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Sofern es eine Leistung zu beschaffen gilt, die von einer Vielzahl von Unternehmen erbracht werden kann, empfiehlt sich in der Regel eine Reduktion des Bieterkreises gemessen an sämtlichen eingereichten Nachweisen, einschließlich derer, die nicht als Mindestanforderung deklariert wurden (vgl. 2.4.3. Teilnahmewettbewerb und Reduzierung).

Aufgabenbezug / Angemessenheit

Welche Unterlagen bzw. Erklärungen zum Nachweis der Eignungskriterien bzw. Mindestanforderung gefordert werden, liegt im Ermessen des Auftraggebers. Die Eignungskriterien und Mindestanforderungen müssen sich hierbei stets an der zu vergebenen Leistung orientieren und dürfen nicht willkürlich festgelegt werden. Dabei ist vom Auftraggeber abzuwägen, welche Anforderungen in Bezug auf die konkrete Maßnahme nachgewiesen werden müssen, damit das Unternehmen einerseits zur Erfüllung dieser Hürden in der Lage ist und andererseits keine Anforderungen aufgestellt werden, die grundsätzlich geeignete Unternehmen aufgrund von unverhältnismäßigen Eignungsanforderungen unberücksichtigt lassen.

Teilweise schreiben die einzelnen Vergabeordnungen darüber hinaus gewisse Obergrenzen für Mindestanforderungen vor, die nur ausnahmsweise überschritten werden dürfen: So ist beispielsweise in der VgV und der VOB/A (EU) geregelt, dass der geforderte Mindestjahresumsatz nur ausnahmsweise höher als das Zweifache des geschätzten Auftragswertes sein darf.

EuGH
18.10.2012, Az.: C-218/11, Rn. 28 ff, Angemessenheit von Mindestanforderungen:

„Bei der Wahl dieser Elemente belässt Art. 47 der Richtlinie 2004/18 den öffentlichen Auftraggebern verhältnismäßig viel Freiheit. Im Gegensatz zu Art. 48 dieser Richtlinie, mit dem hinsichtlich der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit ein geschlossenes System eingeführt wird, das die Bewertungs- und Prüfungsmethoden, über die diese Auftraggeber verfügen, und damit ihre Möglichkeiten zum Aufstellen von Anforderungen begrenzt (vgl. zu den entsprechenden Bestimmungen der der Richtlinie 2004/18 vorausgegangenen Richtlinien Urteil vom 10. Februar 1982, Transporoute et travaux, 76/81, Slg. 1982, 417, Randnrn. 8 bis 10 und 15), gestattet es Art. 47 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18 den öffentlichen Auftraggebern ausdrücklich, zu bestimmen, welche Nachweise für ihre wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit die Bewerber oder Bieter vorzulegen haben. Da Art. 44 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18 auf deren Art. 47 Bezug nimmt, besteht die gleiche Wahlfreiheit auch bei der Bestimmung der Mindestanforderungen an die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit.

Die Wahlfreiheit ist jedoch nicht unbegrenzt. Nach Art. 44 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/18 müssen nämlich die Mindestanforderungen an die Leistungsfähigkeit mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängen und ihm angemessen sein. Daraus folgt, dass die von einem öffentlichen Auftraggeber zur Festlegung von Mindestanforderungen an die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit gewählten Elemente der Bilanz objektiv geeignet sein müssen, über diese Leistungsfähigkeit eines Wirtschaftsteilnehmers Auskunft zu geben, und dass die in dieser Weise festgelegte Schwelle der Bedeutung des betreffenden Auftrags in dem Sinne angepasst sein muss, dass sie objektiv einen konkreten Hinweis auf das Bestehen einer zur erfolgreichen Ausführung dieses Auftrags ausreichenden wirtschaftlichen und finanziellen Basis ermöglicht, ohne jedoch über das hierzu vernünftigerweise erforderliche Maß hinauszugehen.“

2.4.2Prüfung Eignung 2.4.2Prüfung Eignung

Sobald die Unternehmen Kenntnis von der Ausschreibung erlangen und Interesse an einer Leistungserbringung haben, werden sie mit ihrer Bewerbung oder ihrem Angebot Unterlagen zum Nachweis ihrer Eignung einreichen. Der Auftraggeber prüft dann die eingereichten Unterlagen spiegelbildlich zu den in der Veröffentlichung (vgl. 2.3.2. Auftragsbekanntmachung) definierten Anforderungen.

Unabhängig von den aufgestellten Eignungskriterien prüft der Auftraggeber, ob die gesetzlich vorgeschriebenen zwingenden oder fakultativen Ausschlussgründe vorliegen.

Sobald feststeht, dass weder zwingende, noch fakultative Ausschlussgründe vorliegen, tritt der Auftraggeber in die Prüfung der Eignungsunterlagen ein. Dabei werden die Unterlagen auf Vollständigkeit überprüft und inhaltlich am Maßstab der bekanntgemachten Eignungskriterien bewertet.

Dabei findet die Prüfung bei offenen Verfahren im Rahmen der Angebotsprüfung statt. Bei Verfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb erfolgt die Eignungsprüfung isoliert im Rahmen des Teilnahmewettbewerbs und vor der Aufforderung zur Angebotsabgabe bzw. zum wettbewerblichen Dialog.

Zwingende Ausschlussgründe

Unternehmen, bei denen zwingende Ausschlussgründe vorliegen, sind unabhängig von der fachlichen Eignung vom Verfahren auszuschließen. Diese zwingenden Gründe sind in einem Katalog dargestellt und setzen eine entsprechende rechtkräftige Verurteilung voraus. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Straftaten im Bereich der Vermögensdelikte, der organisierten Kriminalität und der Korruption. Relevant sind dabei solche Straftaten, die von Personen begangen wurden, deren Verhalten dem Unternehmen zurechenbar ist. Außerdem führt auch die Nichtabführung von Steuern und Abgaben zwingend zum Ausschluss, sofern ein Ausschluss nicht offensichtlich unverhältnismäßig ist.

Ein Ausschluss durch den Auftraggeber bei vorliegenden zwingenden Ausschlussgründen, kommt nur dann nicht in Betracht, wenn dies aus zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses geboten ist oder eine Selbstreinigung stattgefunden hat.

Sofern keine zwingenden Gründe des öffentlichen Interesses vorliegen und keine Selbstreinigung stattgefunden hat, ist ein Ausschluss höchstens bis zu fünf Jahren ab der rechtskräftigen Verurteilung zulässig.

Fakultative Ausschlussgründe

Außerdem können Auftraggeber – unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – Unternehmen unabhängig von der fachlichen Eignung ausschließen, wenn ein fakultativer Ausschlussgrund vorliegt. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Gründe, welche die Zuverlässigkeit oder die Integrität eines Unternehmens in Frage stellen.

Auch im Hinblick auf fakultative Ausschlussgründe hat das Unternehmen die Möglichkeit, eine Selbstreinigung durchzuführen.

Ein Ausschluss aufgrund eines fakultativen Ausschlussgrundes ist für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren ab dem betreffenden Ereignis zulässig.

Besonderheiten SektVO

Besonderheiten für Sektorenauftraggeber nach § 100 Abs. 1 Nr. 2 GWB. Die zwingenden Ausschlussgründe gemäß § 123 GWB sind für Sektorenauftraggeber lediglich fakultativ, sodass stets eine Ermessensentscheidung hinsichtlich eines etwaigen Ausschlusses getroffen werden muss.

Aufklärung / Nachforderung

Sofern die von den Unternehmen eingereichten Eignungsunterlagen missverständlich sind und somit bei der Auswertung nicht sicher festgestellt werden kann, ob die eingereichten Unterlagen die Anforderungen erfüllen, ist vom Auftraggeber zu entscheiden, ob dem Unternehmen die Möglichkeit einer Aufklärung gegeben werden soll. Sofern der Auftraggeber sein Ermessen zu Gunsten einer Aufklärung ausübt, wird er um Klarstellung der unklaren Angaben bitten, um im Anschluss eine abschließende Bewertung hinsichtlich der Geeignetheit treffen zu können.

Wenn die Eignungsunterlagen nicht nur missverständlich, sondern darüber hinaus auch fehler- bzw. lückenhaft sind, ist vom Auftraggeber zu entscheiden, ob eine Nachforderung weiterer Eignungsnachweise erfolgen soll. Bei einer Nachforderung wird den Unternehmen die Möglichkeit eingeräumt weitere Nachweise einzureichen, um die gestellten Anforderungen im zweiten Anlauf erfüllen zu können. Sofern der Auftraggeber bereits im Bekanntmachungstext bzw. in den Vergabeunterlagen festlegt, keine Unterlagen nachzufordern, ist er hieran gebunden; eine Nachforderung kommt dann nicht in Betracht.

Bei der Entscheidung, ob eine Aufklärung oder eine Nachforderung erfolgen soll oder muss, ist stets die einschlägige Vergabeordnung zu prüfen, da es an dieser Stelle mitunter Unterschiede gibt. Sofern es keine zwingenden Vorschriften gibt, ist – insbesondere unter Berücksichtigung der Chancengleichheit unter den Bewerbern bzw. Bietern – abzuwägen, ob eine Aufklärung bzw. eine Nachforderung stattfinden kann. Insbesondere dann, wenn andere Unternehmen die Anforderungen auf Anhieb erfüllen, kann eine Nachforderung eine Benachteiligung für diejenigen Unternehmen bedeuten, welche die Anforderungen auf Anhieb erfüllt haben.

Besonderheiten VOB/A (EU)

In der VOB/A (EU) besteht bezüglich Bauvergaben die Besonderheit, dass den Unternehmen eine Nachfrist zur Nachforderung gesetzt werden muss, wenn Eignungsnachweise nicht rechtzeitig bzw. nicht vollständig vorgelegt wurden. Wenn also Eignungsunterlagen gänzlich oder in Teilen fehlen, ist eine Nachforderung verpflichtend. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass nicht nachgefordert werden darf, wenn die Unterlagen zwar vorhanden sind, aber ggf. Fehler aufweisen. Im Falle der Nachforderung haben die Unternehmen sechs Tage ab Versand der Aufforderung zur Nachreichung durch den Auftraggeber Zeit, die angeforderten Unterlagen nachzureichen. Bei Vorliegen eines gesetzlich geregelten Ausschlussgrundes darf hingegen grundsätzlich nicht nachgefordert werden.

Prüfungsergebnis

Sofern keine Ausschlussgründe vorliegen und der Bewerber / Bieter auch die aufgestellten Eignungskriterien erfüllt, erhält er eine positive Eignungsprognose, anderenfalls wird er als ungeeignet vom weiteren Verfahren ausgeschlossen.

Selbstreinigung

Unternehmen, bei denen ein zwingender oder fakultativer Ausschlussgrund vorliegt, haben die Möglichkeit der sog. „Selbstreinigung“. Das bedeutet, dass das Unternehmen Entschädigungen für die entstandenen Schäden gezahlt hat oder sich zur Zahlung verpflichtet hat, aktiv mit den Ermittlungsbehörden kooperiert und entsprechende organisatorische, technische und personelle Maßnahmen zur Vermeidung weiterer Straftaten ergriffen hat. Um von dieser Regelung zu profitieren und nicht ausgeschlossen zu werden, hat das Unternehmen nachzuweisen, dass es entsprechende Maßnahmen getroffen hat. Sofern der Nachweis der Selbstreinigung gelingt, darf das Unternehmen nicht per se ausgeschlossen werden. In diesem Fall hat der öffentliche Auftraggeber zu prüfen, ob die ergriffenen Maßnahmen unter Berücksichtigung der Schwere und der besonderen Umstände der Straftat bzw. des Fehlverhaltens ausreichend sind. Sofern der Auftraggeber der Ansicht ist, dass die Maßnahmen unzureichend sind, ist dies gegenüber dem Unternehmen zu begründen.

2.4.3Teilnahmewettbewerb und Reduzierung 2.4.3Teilnahmewettbewerb und Reduzierung

Ein Teilnahmewettbewerb wird durchgeführt, wenn der Auftraggeber eine Verfahrensart gewählt hat, die eine vorgeschaltete Eignungsprüfung vorsieht. Innerhalb des Teilnahmewettbewerbs können sich die Unternehmen durch Nachweis ihrer Eignung für die Beteiligung am weiteren Verfahren qualifizieren.

Außerdem kann der Auftraggeber im Rahmen des Teilnahmewettbewerbs festlegen, dass der Bewerberkreis reduziert werden soll. Dabei legt der Auftraggeber zur Reduzierung des Verwaltungsaufwandes fest, nur mit einer bestimmten Höchstzahl von Bietern in das weitere Verfahren eintreten zu wollen. Dies wird dadurch erreicht, dass im Vorfeld ein Bewerber-Wettstreit stattfindet, in dem sich Unternehmen als potentielle Bieter empfehlen. Ein vorgeschalteter Teilnahmewettbewerb mit Reduzierung empfiehlt sich vor allem dann, wenn voraussichtlich eine Vielzahl von grundsätzlich geeigneten Unternehmen durch die Ausschreibung angesprochen wird.

Sofern eine solche Bieterreduzierung vorgesehen ist, wird anhand der in der Bekanntmachung festgelegten objektiven Kriterien und Wertungsgrundsätze ein Ranking aller geeigneter Unternehmen erstellt, um die „geeignetsten“ Unternehmen zu bestimmen und nur mit diesen in Verhandlungen einzutreten. Die Kriterien zur Bestimmung der geeignetsten Unternehmen können zum Beispiel die Anzahl der einschlägigen Referenzen oder die Kontinuität der Erbringung vergleichbarer Leistungen sein. Auch die Anzahl oder die Qualifikation der Mitglieder des Projektteams oder Angaben zur finanziellen Leistungsfähigkeit können in die Bewertung mit einfließen.

Beabsichtigt der Auftraggeber eine Reduzierung vorzunehmen, ist dies bereits im Bekanntmachungstext unter Angabe der maximalen Bieterzahl zu kommunizieren. Außerdem ist eine Matrix zu erstellen, die eine objektive und transparente Bewertung des Grades der Geeignetheit ermöglicht.

Festlegung der Anzahl der aufzufordernden Unternehmen

Wie viele Unternehmen zum weiteren Verfahren zugelassen werden sollen, steht im Ermessen des öffentlichen Auftraggebers. Bei der Festlegung der Anzahl der auszuwählenden Unternehmen ist jedoch darauf zu achten, dass weiterhin ein ausreichender Wettbewerb gewährleistet ist. Das Instrument der Reduzierung dient vor allem dem Zweck, den Verwaltungsaufwand in ein angemessenes Verhältnis zum Wettbewerb zu setzen. Keinesfalls darf jedoch der Wettbewerb durch zu starke Reduzierung zu sehr eingeschränkt werden.

Teilweise schreiben die einzelnen Vergabeordnungen an dieser Stelle vor, wie viele Unternehmen mindestens zur Angebotsabgabe aufzufordern sind.

Erstellen der Reduzierungskriterien (Bewertungsmatrix)

Bei der Aufstellung der Matrix sind die im Rahmen der Reduzierung zu berücksichtigenden Eignungsnachweise aufzuführen. Außerdem ist festzulegen, wie stark die einzelnen Nachweise gewichtet werden sollen. Um größtmögliche Transparenz zu schaffen, werden sämtliche Überlegungen zur Reduzierung bereits in der Bekanntmachung (vgl. 2.3.2. Auftragsbekanntmachung) kommuniziert; insbesondere, welche Kriterien bei der Punktevergabe eine Rolle spielen und wie die definierten Kriterien gewichtet werden.

Ermittlung geeigneter Unternehmen

Bevor eine Reduzierung stattfinden kann, sind zunächst die grundsätzlich geeigneten Unternehmen anhand der zuvor aufgestellten Eignungskriterien zu ermitteln. Daher findet zunächst eine Prüfung der grundsätzlichen Geeignetheit der Unternehmen statt (vgl. 2.4.2. Prüfung Eignung).

Sofern mehr geeignete Unternehmen vorhanden sind, als laut Bekanntmachungstext zum weiteren Verfahren zugelassen werden sollen, hat eine Reduzierung stattzufinden. Insofern ist der Auftraggeber an seine Festlegung gebunden. Sollten weniger geeignete Unternehmen vorhanden sein, als maximal vorgesehen, findet keine Reduzierung statt.

Reduzierung

Die eigentliche Reduzierung knüpft an die im Bekanntmachungstext kommunizierten Eignungskriterien und die daraus entwickelte Auswertungsmatrix einschließlich der Punktevergabe und Gewichtung an. Sämtliche geeignete Unternehmen werden anhand der festgelegten Kriterien bewertet und entsprechend bepunktet. Die Punktzahlen errechnen sich dabei anhand der zuvor festgelegten Bewertungsmatrix.

Diejenigen Unternehmen, die unter Berücksichtigung der entwickelten Bewertungsmatrix im Ergebnis die höchste Punktzahl erreichen – sich also als am geeignetsten erweisen –, werden dann für das weitere Verfahren ausgewählt, während die übrigen Unternehmen trotz ihrer generellen Eignung vom weiteren Verfahren ausgeschlossen werden.

2.4.4Bewerber- und Bietergemeinschaften / Arbeitsgemeinschaften 2.4.4Bewerber- und Bietergemeinschaften / Arbeitsgemeinschaften

Unternehmen können sich grundsätzlich zu Bewerber- bzw. Bietergemeinschaften zusammenschließen, um die vom Auftraggeber definierten Eignungsanforderungen gemeinsam zu erfüllen oder Kapazitäten zu bündeln, um die zu vergebende Leistung erbringen zu können. Zu diesem Zweck schließen sich mehrere Unternehmen „auf Augenhöhe“ – im Regelfall in Form einer GbR – zusammen, um sich gemeinsam um einen Auftrag zu bewerben. Dabei profitieren alle Mitglieder von den Ressourcen und Referenzen der jeweils anderen Mitglieder.

Die Begrifflichkeiten ändern sich je nach Stand des Verfahrens: Bei einem Verfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb spricht man im Rahmen der Eignungsprüfung von Bewerbergemeinschaften. Sofern ein gemeinsames Angebot abgegeben wird, werden derartige Zusammenschlüsse Bietergemeinschaften genannt. Wenn es nach Zuschlagserteilung um die Leistungserbringung geht, wird von einer Arbeitsgemeinschaft gesprochen.

Besonderheiten in Bezug auf die Eignungsprüfung

Rechtlich ist jede Gemeinschaft für sich genommen ein „Bewerber / Bieter“. Dementsprechend läuft die Eignungsprüfung im Wesentlichen so ab, wie bei einem Einzelbieter (vgl. 2.4.2. Prüfung Eignung). Dabei werden die Ressourcen der Mitglieder kumuliert und sodann geprüft.

Die Bildung von Bewerber- und Bietergemeinschaften ist auch dann zulässig, wenn die kooperierenden Unternehmen grundsätzlich auch allein in der Lage wären, ihre Eignung nachzuweisen. Grundsätzlich kann aus der Erfüllung der Eignungskriterien nicht der unmittelbare Schluss gezogen werden, dass ein Unternehmen auch praktisch zur Leistungserbringung in der Lage ist. Allerdings liegt bei dieser Konstellation die Annahme einer unzulässigen Bietergemeinschaft näher, sodass der öffentliche Auftraggeber in der Regel eine entsprechende Aufklärung der Gründe für den Zusammenschluss einfordern wird. Es wird jedoch grundsätzlich nicht vermutet, dass etwaige Zusammenschlüsse unzulässig sind. Die Mitglieder einer Bewerer- oder Bietergemeinschaft müssen sich nur dann zu den Gründen ihres Zusammenschlusses erklären, wenn der Auftraggeber hierzu auffordert. Sofern zureichende Anhaltspunkte für einen unzulässigen Zusammenschluss von Unternehmen vorliegen, ist der öffentliche Auftraggeber zur Aufklärung verpflichtet.

Grundsätzlich besteht die Möglichkeit des Zusammenschlusses von Unternehmen solange, wie keine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt wird.

Dabei gilt, dass von einer Wettbewerbsbeschränkung jedenfalls dann nicht ausgegangen werden kann, wenn

  • die jeweiligen Unternehmen nicht in der Lage sind, den Auftrag allein auszuführen, weil die dazu erforderliche Kapazität im Unternehmen nicht vorhanden ist,
  • die jeweiligen Unternehmen zwar über die erforderlichen Kapazitäten verfügen, diese jedoch durch anderweitige Aufträge gebunden sind oder
  • die jeweiligen Unternehmen zwar über ausreichende Kapazitäten verfügen, die Eingehung einer Bietergemeinschaft aber auf Grundlage einer wirtschaftlich zweckmäßigen und kaufmännisch vernünftigen Entscheidung beruht.

Während die ersten beiden Punkte eindeutig und objektiv überprüfbar sind, bedarf die Entscheidung, wann von einer „wirtschaftlich zweckmäßigen und kaufmännisch vernünftigen Entscheidung“ ausgegangen werden kann, der Auslegung. Insofern wird ein Auftraggeber, demgegenüber eine Bildung einer Bewerber- oder Bietergemeinschaft derart begründet wird, im Einzelfall abwägen, ob ein Zusammenschluss auf Grundlage einer wirtschaftlich zweckmäßigen und kaufmännisch vernünftigen Entscheidung beruht.

Gemeinsame Haftung

Sofern sich Unternehmen zu einer Bietergemeinschaft zusammenschließen, haften sie gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber in aller Regel gesamtschuldnerisch, da sie im Verhältnis zum öffentlichen Auftraggeber als „ein Bieter“ auftreten.

2.4.5Unterauftragnehmer und Eignungsleihe 2.4.5Unterauftragnehmer und Eignungsleihe

Eine weitere Möglichkeit der Kumulierung von Kapazitäten bildet die Verpflichtung von Unterauftragnehmern. Dabei profitiert das führende Unternehmen (bzw. die führende Bewerber- oder Bietergemeinschaft) von den Referenzen und sonstigen Ressourcen der Unterauftragnehmer.

Um sicherzustellen, dass im Auftragsfalle auch tatsächlich auf die Ressourcen der Unterauftragnehmer zurückgegriffen werden kann, empfiehlt sich als Auftraggeber die Forderung einer entsprechenden (Unterauftragnehmer-)Erklärung, in der sich der Unterauftragnehmer im Falle eines Zuschlags zur Bereitstellung der Kapazitäten in wirtschaftlich-finanzieller und / oder technisch-personeller Hinsicht verpflichtet.

Dabei gilt, dass Nachweise von dem Unternehmen beizubringen sind, das im Auftragsfalle die Leistungen auch erbringen wird. Eine Kumulierung von Kapazitäten, um lediglich formal die Anforderungen erfüllen zu können, ist unzulässig.

Zu betonen ist in diesem Zusammenhang außerdem, dass konzernverbundene Unternehmen, die rechtlich selbstständig sind, nicht automatisch zur Bereitstellung von Ressourcen verpflichtet sind. Sofern auf Ressourcen von konzernverbundenen Unternehmen zurückgegriffen werden soll, ist daher darauf zu achten, dass auch hier eine entsprechende Erklärung abzugeben ist.

Besonderheiten in Bezug auf die Eignungsprüfung

Bei dieser Konstellation ist nur das „führende“ Unternehmen Bewerber bzw. Bieter im jeweiligen Verfahren. Sofern sich das führende Unternehmen bei der Eignungsprüfung auf Kapazitäten eines oder mehrerer Unterauftragnehmer bezieht, ist zu prüfen, ob der Unterauftragnehmer sich verpflichtet hat, die Leistung auch tatsächlich für das führende Unternehmen zu erbringen. Im Regelfall wird der Auftraggeber eine entsprechende Verpflichtungserklärung fordern und prüfen, ob eine wirksame Verpflichtung des Unterauftragnehmers gewährleistet ist. Sofern dies der Fall ist, werden die Eignungsangaben des Unterauftragnehmers mit denen des Bieters kumuliert und anschließend, wie üblich, geprüft (vgl. 2.4.2. Prüfung Eignung).

Der Auftraggeber kann vom führenden Unternehmen eine Erklärung darüber verlangen, welche Leistungen er an Unterauftragnehmer zu vergeben gedenkt. Die Forderung nach einer verbindlichen Auskunft darüber, welche Unterauftragnehmer konkret zum Einsatz kommen, kann jedoch unverhältnismäßig sein. Es ist einem Unternehmen in der Regel nicht zumutbar, bereits bei Angebotsabgabe verbindliche Zusagen sämtlicher Nachunternehmer einzuholen, da dies – insbesondere bei komplexeren Beschaffungsvorhaben – einen Organisationsaufwand bedeutet, der die Unternehmen unangemessen belastet.

Die konkrete Ausgestaltung der Kooperation mit Unterauftragnehmern liegt im Ermessen der Bewerber / Bieter. Auftraggeber können die interne konkrete Ausgestaltung der Kooperation nicht vorschreiben.

Verpflichtungserklärung

Im Falle des Unterauftragnehmereinsatzes zur Erfüllung der Eignungskriterien muss vom führenden Unternehmen nachgewiesen werden, dass diejenigen Leistungen, die über einen Unterauftragnehmer nachgewiesen werden sollen, auch tatsächlich von diesem durchgeführt werden. Hierzu wird in aller Regel eine sog. Verpflichtungserklärung verlangt: In der Verpflichtungserklärung verpflichtet sich der Unterauftragnehmer, die Leistungen im Falle eines Zuschlags auch tatsächlich für den Bewerber bzw. Bieter zu erbringen.

Wenn Nachweise in Bezug auf die erforderliche berufliche Leistungsfähigkeit wie Ausbildungs- oder Bildungsnachweise vom Unterauftragnehmer beigebracht werden sollen, muss sich die Verpflichtungserklärung darüber hinaus auch speziell auf die dahinter stehenden Tätigkeiten beziehen. Anderenfalls ist nicht sichergestellt, dass Arbeiten, die eine gewisse Qualifikation voraussetzen, auch tatsächlich von entsprechend qualifiziertem Personal durchgeführt werden.

Gemeinsame Haftung

Sofern der Unterauftragnehmer Ressourcen im Bereich der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit einbringen soll, kann der Auftraggeber eine gemeinsame Haftung des Bieters und des Unterauftragnehmers entsprechend des Umfangs der Eignungsleihe verlangen. Dies soll verhindern, dass durch die Kumulierung der Kapazitäten der Eindruck entsteht, dass ausreichende Kapazitäten bestehen, der Auftraggeber aber im Regressfall keinen vollen Zugriff auf die angegebenen Ressourcen erhält.

Selbstausführungsgebot als Ausnahme

Der Auftraggeber kann bestimmen, dass bestimmte kritische Aufgaben direkt vom führenden Unternehmen selbst ausgeführt werden müssen. Eine derartige Festlegung ist bereits im Bekanntmachungstext zu kommunizieren (vgl. 2.3.2. Auftragsbekanntmachung) und dient der Sicherstellung, dass besonders komplexe bzw. sensible Aufgaben durch ausgewiesene, kompetente Fachfirmen erbracht werden und nicht durch einen potentiell schlechtleistenden Unterauftragnehmer.

2.4.6Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE) 2.4.6Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE)

Bei der EEE handelt es sich um ein Formular, in dem ein Unternehmen erklären kann, die geforderten Eignungsanforderungen zu erfüllen. Über den entsprechenden Online-Service der Europäischen Kommission lassen sich aus EU-Bekanntmachungen entsprechende EEE-Formulare erzeugen: Das bedeutet, dass sich das Blanko-Formular, das in der Anlage II zur Durchführungsverordnung (EU) 2016/7 der Kommission vom 5. Januar 2016 zur Einführung des Standardformulars für die Einheitliche Europäische Eigenerklärung einsehen lässt, um die Angaben im Bekanntmachungstext vervollständigen lässt und im Anschluss entsprechend ausgefüllt werden kann. Die ausgefüllte Erklärung soll dann zunächst zum Nachweis der Eignung ausreichen.

Isoliert betrachtet handelt es sich insofern um ein alternatives Mittel des (vorläufigen) Eignungsnachweises. Hinsichtlich der Festlegung von Eignungskriterien und deren Bekanntmachung ändert sich derweil nichts: Wie üblich sind Kriterien anhand des Auftragsgegenstandes zu entwickeln und entsprechend bekannt zu machen. Es können auch weiterhin parallel zur EEE individuelle Formblätter zum Eignungsnachweis mit den Vergabeunterlagen ausgegeben werden, anhand derer die Unternehmen ihre Eignung nachweisen können. Die EEE stellt in diesem Falle für die Unternehmen eine Alternative zu den ausgegebenen Formblättern dar.

Insofern muss sich der Auftraggeber entscheiden, ob er die Eignungsprüfung ausschließlich auf die EEE ausrichten möchte oder ob er zusätzlich eigene Formblätter ausgibt. Dabei ist die EEE selbst nicht dispositiv und daher stets zu akzeptieren.

Die Prüfung der EEE erfolgt nach dem gleichen Muster wie die herkömmliche Eignungsprüfung – mit dem Unterschied, dass lediglich erklärt werden muss, bestimmte Eignungskriterien zu erfüllen; ein konkreter Nachweis ist hingegen zunächst entbehrlich und kann vom Auftraggeber im laufenden Verfahren nur ausnahmsweise verlangt werden.

Gliederung der EEE

Die EEE ist in folgende Teile untergliedert:

  • Teil I: Angaben zum Vergabeverfahren und zum öffentlichen Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber

In diesem Teil werden allgemeine Informationen zum Vergabeverfahren eingetragen. Hier wird z. B. die Vergabenummer des Auftraggebers und der Gegenstand der Beschaffung aus dem Bekanntmachungstext angegeben.

  • Teil II: Angaben zum Wirtschaftsteilnehmer

In diesem Teil wird der Wirtschaftsteilnehmer aufgefordert, allgemeine Angaben zu seiner Identität und zur Situation seines Unternehmens zu machen. Dabei ist die rechte Spalte entsprechend den Anforderungen, die in der linken Spalte dargestellt sind, zu vervollständigen. Außerdem wird in diesem Teil abgefragt, ob auf Kapazitäten anderer Unternehmen zurückgegriffen werden soll und festgelegt, dass in diesem Falle für jedes Unternehmen die Teile II und III separat vorzulegen sind.

  • Teil III: Ausschlussgründe

An dieser Stelle wird von den Unternehmen erklärt, ob Ausschlussgründe vorliegen oder nicht. Durch die Abfrage dieser Informationen soll vor allem sichergestellt werden, dass kein Unternehmen am Verfahren teilnimmt, das aufgrund von zwingenden oder fakultativen Ausschlussgründen vom Verfahren ausgeschlossen werden muss (vgl. 2.4.2. Prüfung Eignung).

  • Teil IV: Eignungskriterien

Unter Teil IV der EEE wird die Eignung erforscht. Auch hier genügen entsprechende Erklärungen des Wirtschaftsteilnehmers. Eine Überprüfung der Angaben ist zunächst grundsätzlich nicht vorgesehen. Besondere Bedeutung kommt dabei dem sog. Globalvermerk unter Abschnitt α zu. Sofern der Auftraggeber in der Bekanntmachung (vgl. 2.3.2. Auftragsbekanntmachung) festgelegt hat, dass Teil IV nur in Abschnitt α auszufüllen ist, kann der Wirtschaftsteilnehmer seine Eignung durch Ankreuzen des Feldes „Ja“ nachweisen. Weitere Angaben sind dann nicht mehr erforderlich. Sofern der Bekanntmachungstext keine entsprechende Festlegung enthält, ist der Teil IV entsprechend der in der linken Spalte abgefragten Angaben zu vervollständigen.

Grundsatz: EEE als Eigenerklärung

Grundsätzlich kommt ein Wirtschaftsteilnehmer durch Einreichen der EEE kraft Eigenerklärung seiner Pflicht zum Nachweis seiner Eignung (zumindest vorläufig) nach. Sofern alle Angaben entsprechend den Anforderungen gemacht wurden, wird die Eignung grundsätzlich vermutet.

Ausnahme: Zuschlagsbieter / Angemessene Verfahrensführung

Eine Überprüfung der EEE-Angaben ist grundsätzlich nur beim Zuschlagsbieter vorgesehen. Der Auftraggeber kann konkrete Eignungsnachweise von den Bietern im laufenden Verfahren hingegen nur dann einfordern, wenn dies zur angemessenen Durchführung des Verfahrens erforderlich ist.

Allerdings müssen die Unternehmen nicht jeder Anforderung nachkommen: Solche Unterlagen, die der Auftraggeber von einer kostenfreien Datenbank innerhalb der Europäischen Union, insbesondere im Rahmen eines Präqualifizierungssystems (vgl. 2.4.7. Präqualifizierungssysteme), erhalten kann, müssen die Unternehmen nicht vorlegen. Darüber hinaus müssen die Unternehmen auch solche Unterlagen, die sich bereits im Besitz des Auftraggebers befinden, nicht vorlegen.

Letzteres bedeutet in der Praxis erhöhte Anforderungen an die Archivierung und Dokumentation beim Auftraggeber, da auch Unterlagen, die ein Unternehmen ggf. in Parallelverfahren eingereicht hat, im Besitz des Auftraggebers sind. Das bedeutet, dass ein Unternehmen angeforderte Unterlagen – selbst auf entsprechende Anforderung – nicht einreichen muss, sofern die Unterlagen bereits beim Auftraggeber vorliegen und nach wie vor Gültigkeit besitzen. Sofern das Unternehmen seine Eignung mit den nunmehr angeforderten Nachweisen bereits in einem anderen Verfahren nachgewiesen hat, obliegt es dem Auftraggeber, die Unterlagen aus dem Archiv beizuziehen.

Zwang zur Akzeptanz

Der Auftraggeber muss die EEE akzeptieren. Das bedeutet, dass selbst dann, wenn eigene Formblätter zum Nachweis gewisser Eignungskriterien ausgegeben werden, die EEE zum Nachweis der Eignung genügt. Außerdem bedingt der gesetzliche Zwang zur Akzeptanz der EEE, dass Unternehmen Forderungen des Auftraggebers nach Eignungsnachweisen nicht mehr selbstverständlich nachkommen müssen: Sobald ein Unternehmen seine Eignung über eine EEE nachweist, ist es nämlich grundsätzlich solange nicht zum Beleg seiner Eignung verpflichtet, bis der öffentliche Auftraggeber beabsichtigt, den Zuschlag auf das Angebot des Bieters zu erteilen. Dies eröffnet den Unternehmen die Möglichkeit, das Ausfüllen der vom Auftraggeber vorbereiteten Formblätter oder die Einreichung konkreter Nachweise unter Verweis auf die EEE zu verweigern.

Auswirkungen auf die Vergabepraxis

Auftraggeber können neben den bisher verwandten Formularen und Vergabeunterlagen auch eine EEE bereitstellen, die durch die Unternehmen ausgefüllt und zurückgereicht werden kann. Die Unternehmen haben die Wahl, ob sie die Unterlagen des Auftraggebers oder die EEE zum Nachweis ihrer Eignung verwenden möchten.

Alternativ können Auftraggeber auch ausschließlich die EEE verwenden. Dies stellt vor dem Hintergrund einer möglichst gleich laufenden und transparenten Eignungsprüfung die praktikabelste Lösung dar.

2.4.7Präqualifizierungssysteme 2.4.7Präqualifizierungssysteme

Der Nachweis der Eignung und das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen kann auch durch Präqualifizierung erfolgen. Das bedeutet, dass die Unternehmen bereits im Vorfeld sämtliche Nachweise zur Eignung erbringen und so – auch für zukünftige Ausschreibungen – ihre Eignung bereits im Vorfeld nachweisen. Dabei kann die Eignungsprüfung entweder komplett oder auch nur zum Teil durch ein geeignetes Präqualifikationssystem ersetzt werden.

Präqualifizierungsstellen

Zu diesem Zweck können sich Unternehmen an sog. Präqualifizierungsstellen wenden und die jeweils angeforderten Unterlagen zur Prüfung vorlegen. Sofern das Präqualifizierungsverfahren erfolgreich durchlaufen wurde, kann sich das Unternehmen bei zukünftigen Ausschreibungen auf das positive Ergebnis dieser Überprüfung berufen und muss grundsätzlich keine weiteren Unterlagen zum Nachweis der im Rahmen der Präqualifikation belegten Kriterien einreichen.

Die Präqualifizierungsstellen, an die sich die Unternehmen wenden können, sind ohne Weiteres im Internet recherchierbar.

Eignungsvermutung / Zweifel des öffentlichen Auftraggebers

Sofern ein Unternehmen in einem amtlichen Verzeichnis eingetragen ist oder über eine entsprechende Präqualifikation verfügt, wird die Eignung grundsätzlich vermutet. Diese Vermutung darf vom Auftraggeber nur in begründeten Fällen in Zweifel gezogen werden. Sofern begründete Zweifel vorliegen, können entsprechende Nachweise angefordert werden. Eine Ausnahme hiervon bilden Nachweise mit Blick auf die Entrichtung von Steuern, Abgaben oder Sozialversicherungsbeiträgen. Nachweise hierüber können unabhängig von etwaigen Zweifeln jederzeit verlangt werden.

Besonderheiten SektVO

Eigene Qualifizierungssysteme (SektVO). Teilweise wird dem Sektorenauftraggeber die Möglichkeit eröffnet, eigene Qualifizierungssysteme einzurichten. Eigene Qualifizierungssysteme eignen sich in der Regel vor allem für große Sektorenauftraggeber, die immer wieder ähnlich gelagerte Vergaben durchführen. Dabei ist sicherzustellen, dass Unternehmen jederzeit die Zulassung zum Qualifizierungssystem beantragen können. Sofern eine Veröffentlichung über das Bestehen des Qualifizierungssystems erfolgt, werden Aufträge fortan unter den geprüften Unternehmen vergeben. Zur Finanzierung eines derartigen Systems können Gebühren erhoben werden, die jedoch im Verhältnis zu den anfallenden Kosten stehen müssen.

Bei der Ausgestaltung und dem Umfang des Qualifizierungssystems räumt das Gesetz dem Auftraggeber einen weiten Ermessensspielraum ein: So steht es dem Auftraggeber grundsätzlich frei, welche Kriterien Teil des Qualifizierungssystems sein sollen. Außerdem können Qualifizierungsstufen definiert werden.

Wie ein Qualifizierungssystem konkret ausgestaltet werden sollte, hängt vor allem davon ab, welche Anforderungen der Auftraggeber stellen möchte. Grundsätzlich eignen sich nur solche Eignungskriterien bzw. Nachweise für ein Qualifizierungssystem, die regelmäßig abgefragt werden – spezielle Referenzen zu speziellen Leistungsgegenständen werden in aller Regel individuell abzufragen sein.

Auch kleinere Auftraggeber können von der Möglichkeit passgenauer Qualifizierungssysteme profitieren: Kleinere Auftraggeber können sich auf Qualifizierungssysteme anderer (großer) Auftraggeber berufen und festlegen, dass bestimmte Prüfsysteme bestimmter Auftraggeber anerkannt werden. In diesem Fall ist bereits in der Bekanntmachung mitzuteilen, um welches Prüfungssystem welches Auftraggebers es sich konkret handelt.

Unterschiedliche Qualifizierungssysteme / EEE

Der wesentliche Unterschied zwischen (Prä-) Qualifizierungssystemen und der Einheitlichen Europäischen Eignungserklärung (EEE) besteht darin, dass die Unternehmen im Falle der (Prä-) Qualifizierung die Eignungsnachweise im Vorfeld tatsächlich erbracht haben, während bei der EEE lediglich von den Unternehmen erklärt wird, geeignet zu sein (vgl. 2.4.6. Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE)).

Allerdings wird über die Regelung, dass Unterlagen, die sich bereits im Besitz des Auftraggebers befinden, nicht eingereicht werden müssen, eine Situation geschaffen, die einem Qualifizierungssystem faktisch zumindest ähnelt.