Überblick
Der Transparenzgrundsatz verlangt, dass der Auftraggeber den Ablauf des Vergabeverfahrens und alle wesentlichen Entscheidungen sorgfältig dokumentiert. Dies führt dazu, dass das Vergabeverfahren zu jeder Zeit nachvollziehbar und kontrollierbar ist, was dem Bieterschutz dient und gerade im Hinblick auf Nachprüfungen (vgl. 1.5. Rechtsschutz) enorme Relevanz entfalten kann. So kann etwaigen Manipulationen entgegen gewirkt werden. Aber auch die Position des Auftraggebers wird hierdurch gestärkt, denn wenn er eine ordnungsgemäße und genaue Dokumentation vornimmt, braucht er eine Kontrolle der Vergabekammer bzw. Beschwerdegerichte nicht zu fürchten.
Das Dokumentationssystem erstreckt sich auf alle Phasen, angefangen von den Grundlagen bzw. den Vorbereitungen der Vergabe bis hin zur Auftragsausführung. Durch Umsetzung der Vorgaben des Art. 84 der Richtlinie 2014/24/EU wird die von Beginn des Verfahrens an bestehende und fortlaufend zu betreibende Dokumentationspflicht von der Verpflichtung zur Erstellung eines Vergabevermerks unterschieden. Den Auftraggeber treffen somit zweierlei Verpflichtungen bezüglich einer ordnungsgemäßen Dokumentation:
- fortlaufende Dokumentation (von Beginn an) und
- Anfertigen eines Vergabevermerks (spätestens nach Abschluss des Vergabeverfahrens).
Die im Vergaberecht angelegten Dokumentationsvorschriften legen auch dar, wie lange die Dokumentation und der Vergabevermerk aufzubewahren sind. Eine unvollständige bzw. schlecht geführte Dokumentation kann sich zugunsten des Antragstellers im Nachprüfungsverfahren auswirken. Wird ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet, muss der Auftraggeber der Vergabekammer auf Abforderung hin die Vergabeakte übermitteln. Es gilt dann die negative Beweiskraft, das heißt, sind bestimmte Verfahrensabschnitte gar nicht erst dokumentiert, so wird angenommen, dass sie nie stattgefunden haben. Der Auftraggeber kann sich dann nicht mehr erfolgreich auf diese berufen, auch ist es ihm nicht möglich, etwaige Verfahrensverstöße durch das Nachprüfungsverfahren zu heilen.
Die Vertraulichkeit (vgl. 1.4. Vergabegrundsätze, Zentrale Beschaffung, Vertraulichkeit, Interessenskonflikte und Mitwirkung) muss bei der Speicherung von Informationen bzw. bei der gesamten Dokumentation während und auch nach dem Vergabeverfahren immer gewahrt sein. Die Beteiligten haben aber grundsätzlich ein Recht auf Akteneinsicht, wobei es hier darauf ankommt, ob die Schwellenwerte über- oder unterschritten werden. Gemäß § 97 Abs. 6 GWB haben Unternehmen einen Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden (vgl. 1.5. Rechtsschutz). Auftraggeber müssen ihrer Dokumentationspflicht also sorgfältig nachkommen. Andernfalls liegt ein Verstoß gegen das bieterschützende Transparenzgebot gemäß § 97 Abs. 1 GWB vor. Der Dokumentation kommt Beweiskraft zu. Eine vorhandene, jedoch mangelhaft erfolgte Dokumentation, kann jedoch unter besonderen Umständen geheilt werden.
Der Auftraggeber muss Vorgaben in zeitlicher Hinsicht sowie zur Form und zum Inhalt beachten. Bei Bauvergaben sind dabei dieselben Vorschriften zu beachten wie bei Lieferungen und Dienstleistungen bzw. freiberuflichen Leistungen, da die VOB/A diesbezüglich auf die Bestimmungen der VgV verweist. Infolge der Einführung der Kommunikation mithilfe elektronischer Mittel während des gesamten Vergabeverfahrens bietet sich auch eine Dokumentation mit elektronischen Mitteln an. Die elektronische Kommunikation und eine gesicherte elektronische Speicherung bieten ein hohes Maß an Revisionssicherheit, beispielsweise in Bezug auf elektronische Zeitstempel, welche die Eingangszeit von eingereichten Angeboten oder Teilnahmeanträgen belegen.
Zeitpunkt
Der Auftraggeber muss die Dokumentation
- von Beginn an,
- fortlaufend und zeitnah,
- und auf jeder Stufe des Vergabeverfahrens
durchführen.
Textform
Die Dokumentation ist in Textform nach § 126b BGB zu erstellen. Gemäß dieser Vorschrift muss eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Unter einem dauerhaften Datenträger kann jedes Medium verstanden werden, das dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und das geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben. Dazu zählen Papier, USB-Stick, CD-ROM, Speicherkarten, Festplatten, E-Mails und Computerfaxe. Es genügt dabei, wenn durch elektronische Mittel übersendete Unterlagen ggf. heruntergeladen werden und gespeichert und ausgedruckt werden können. Diese Vorschrift gilt für die gesamte Dokumentation. Durch die Textform wird sichergestellt, dass sich die Beteiligten zuverlässig über den Inhalt der Erklärung informieren können, sie stellt eine lesbare, aber unterschriftslose Erklärung dar. Lesbarkeit bedeutet, dass der Empfänger die Erklärung unmittelbar auf Papier oder er im Falle der elektronischen Erklärung diese über ein Anzeigeprogramm lesen kann.
Inhalt
Die maßgeblichen Aspekte eines Vergabeverfahrens sind zu dokumentieren und müssen nachvollziehbar dargestellt werden. Dies betrifft folgende Bereiche:
- die Kommunikation mit Unternehmen und interne Beratungen,
- die Vorbereitungen der Auftragsbekanntmachung und der Vergabeunterlagen,
- die Öffnung der Angebote, der Teilnahmeanträge und Interessensbestätigungen,
- die mit den teilnehmenden Unternehmen geführten Verhandlungen und Dialoge und
- die Gründe für die Auswahlentscheidung und den Zuschlag (= Vergabevermerk) (vgl. 1.2.2. Vergabevermerk).
Somit wird deutlich, dass Dokumentationspflichten im gesamten Vergabeverfahren bestehen.
Die Regelungen der SektVO entsprechen im Wesentlichen der VgV. Die Dokumentation muss ausreichend sein, das heißt, alle Phasen des Vergabeverfahrens müssen hinsichtlich ihrer Entscheidungen, vor allem im Rahmen der Verhandlungs- und Dialogphase, der Auswahl der Teilnehmer sowie der Zuschlagsentscheidung nachvollziehbar sein. Fordert der Auftraggeber im Rahmen der Phase Prüfung und Wertung von Angeboten Unterlagen nach, so ist dies entsprechend zu dokumentieren (vgl. 2.5.3. Nachforderung / Aufklärung). Die Dokumentation muss auch aus dem Grunde ausreichend sein, damit der Auftraggeber auf ihrer Grundlage den anschließenden Vergabevermerk anfertigen kann.
Zeitpunkt und Form der Dokumentation sind in der SektVO nicht so streng geregelt wie in der VgV. Festgelegt wird, dass der Fortgang des Vergabeverfahrens jeweils zeitnah dokumentiert wird. Es ist nicht vorgegeben, in welcher Form die Dokumentation vorzunehmen ist, jedoch ist es aus Beweisgründen sinnvoll, das für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen Dargelegte anzuwenden und somit die Dokumentation in Textform zu erstellen.
Der Vergabevermerk ist Bestandteil der gesamten Dokumentation des Vergabeverfahrens, hier werden wesentliche Eckpunkte und Entscheidungen zusammenfassend in Textform niedergelegt. Auch Erwägungen und Begründungen bezüglich der im Vergabeverfahren gefällten Entscheidungen sind im Vergabevermerk festzuhalten. Insbesondere ist auch die Ausübung von Ermessen inklusive Verhältnismäßigkeitsprüfung und Interessenabwägung darzustellen.
Zeitpunkt
Der Vergabevermerk soll fortlaufend angefertigt bzw. fortgeschrieben werden. Er kann auch erst nach Abschluss des Verfahrens und Veröffentlichung der Vergabebekanntmachung erstellt werden.
Nicht erforderlich ist ein Vergabevermerk allerdings für Aufträge, die auf der Grundlage von Rahmenvereinbarungen gemäß § 21 Abs. 3, 4 Nr. 1 VgV geschlossen werden. Dies gilt für Einzelaufträge aus Rahmenvereinbarungen, die nur mit einem Unternehmen als Rahmenvertragspartner geschlossen werden. Auch für Einzelaufträge, die gemäß den Bedingungen der Rahmenvereinbarung ohne erneutes Vergabeverfahren erteilt werden – wenn in der Rahmenvereinbarung alle Bedingungen für die Erbringung der Leistung sowie die objektiven Bedingungen für die Auswahl der Unternehmen festgelegt sind, die sie als Partei der Rahmenvereinbarung ausführen werden – ist kein Vergabevermerk erforderlich (vgl. 2.1.7. Rahmenvereinbarungen).
Textform
Der Vergabevermerk ist in Textform nach § 126b BGB zu erstellen (vgl. 1.2.1. Dokumentation).
Inhalt
Der Vergabevermerk muss den vorgegebenen Mindestinhalt entweder direkt aufführen oder die entsprechenden Inhalte durch Bezugnahme auf beigefügte Anlagen kenntlich machen. Wurde die Vergabebekanntmachung bereits veröffentlicht, kann auch Bezug auf diese genommen werden (vgl. 2.3.3. Vergabebekanntmachung). Der Vergabevermerk muss sehr detailliert gefertigt sein und das Vergabeverfahren chronologisch wiedergeben. Der Mindestinhalt des Vergabevermerks besteht aus Folgendem:
- Name und Anschrift des öffentlichen Auftraggebers sowie Gegenstand und Wert des Auftrags, der Rahmenvereinbarung oder des dynamischen Beschaffungssystems,
- die Namen der berücksichtigten Bewerber oder Bieter und die Gründe für ihre Auswahl (vgl. 2.4. Eignung; 2.5. Form, Prüfung, Wertung),
- die nicht berücksichtigten Angebote und Teilnahmeanträge (vgl. 2.4. Eignung; 2.5. Form, Prüfung, Wertung) sowie die Namen der nicht berücksichtigten Bewerber oder Bieter und die Gründe für ihre Nichtberücksichtigung,
- die Gründe für die Ablehnung von Angeboten, die für ungewöhnlich niedrig befunden wurden (vgl. 2.5.7. Ungewöhnlich niedrige Angebote),
- den Namen des erfolgreichen Bieters und die Gründe für die Auswahl seines Angebots (vgl. 2.5.6. Auswertung Angebote) sowie, falls bekannt, den Anteil am Auftrag oder an der Rahmenvereinbarung, den der Zuschlagsempfänger an Dritte weiterzugeben beabsichtigt, und gegebenenfalls, soweit zu jenem Zeitpunkt bekannt, die Namen der Unterauftragnehmer des Hauptauftragnehmers,
- bei Verhandlungsverfahren und wettbewerblichen Dialogen die in § 14 Abs. 3 VgV genannten Umstände, die die Anwendung dieser Verfahren rechtfertigen (vgl. 2.1. Verfahren / Methoden),
- bei Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Teilnahmewettbewerb die in § 14 Abs. 4 VgV genannten Umstände, die die Anwendung dieses Verfahrens rechtfertigen (vgl. 2.1. Verfahren / Methoden),
- gegebenenfalls die Gründe, aus denen der Auftraggeber auf die Vergabe eines Auftrags, den Abschluss einer Rahmenvereinbarung oder die Einrichtung eines dynamischen Beschaffungssystems verzichtet hat (vgl. 2.1. Verfahren / Methoden),
- gegebenenfalls die Gründe, aus denen andere als elektronische Mittel (vgl. 1.3.8. Ausnahmen) für die Einreichung der Angebote verwendet wurden,
- gegebenenfalls Angaben zu aufgedeckten Interessenskonflikten (vgl. 1.4.3. Wahrung der Vertraulichkeit, Vermeidung von Interessenkonflikten und Mitwirkungsverbot) und getroffenen Abhilfemaßnahmen,
- gegebenenfalls die Gründe, aufgrund derer mehrere Teil- oder Fachlose (vgl. 2.2.5. Aufteilung nach Losen) zusammen vergeben werden und
- gegebenenfalls die Gründe für die Nichtangabe der Gewichtung von Zuschlagskriterien (vgl. 2.5.5. Zuschlagskriterien).
Rechtsvorschriften
In der SektVO wird der Begriff des Vergabevermerks nicht explizit erwähnt. Jedoch wird aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 S. 2 SektVO deutlich, dass der Sektorenauftraggeber zunächst eine ausreichende Dokumentation sicherstellen soll, um anschließend die Entscheidungen in allen Phasen des Vergabeverfahrens nachvollziehbar zu begründen. Mit dem Begründungserfordernis ist in Anlehnung an die Vorgaben der VgV auf den Vergabevermerk abzustellen, so dass auch Sektorenauftraggeber dieser Pflicht nachzukommen haben und inhaltlich hier dieselben Anforderungen Geltung finden sollten.
Rechtsvorschriften
Der Auftraggeber ist vergaberechtlich verpflichtet, die Dokumentation, den Vergabevermerk sowie die Angebote, die Teilnahmeanträge, die Interessensbekundungen, die Interessensbestätigungen und ihre jeweiligen Anlagen mindestens drei Jahre ab dem Tag des Zuschlags aufzubewahren, und darüber hinaus bis zum Ende der Laufzeit des Vertrages oder der Rahmenvereinbarung. Neben der vergaberechtlichen Festlegung muss der Auftraggeber prüfen, ob er aufgrund interner Vorschriften möglicherweise zu einer noch längeren Aufbewahrung der Dokumentation inklusive aller Unterlagen verpflichtet ist.
Die vergaberechtlichen Aufbewahrungspflichten gelten auch für Kopien aller abgeschlossenen Verträge, welche Auftragswerte von mindestens 1 Million Euro bei Vergaben von Liefer- oder Dienstleistungsaufträgen und mindestens 10 Millionen Euro im Falle von Bauaufträgen haben. Jedoch müssen die Unterlagen nicht als physische Kopien aufbewahrt werden, so ist es ausreichend, wenn sie entsprechend elektronisch gesichert abgespeichert sind.
Die Dokumentation bzw. der Vergabevermerk und dessen Hauptelemente sowie die abgeschlossenen Verträge sind der Europäischen Kommission sowie den auf nationaler Ebene zuständigen Aufsichts- oder Prüfbehörden auf deren Aufforderung hin zu übermitteln. Zuständige nationale Behörden sind insbesondere die Fach- und Rechtsaufsichtsbehörden, die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder. Im Falle von Vertragsverletzungsverfahren oder EU-Pilotverfahren ist das zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zuständig. Weitere eventuell bestehende Übermittlungspflichten bleiben davon unberührt.
In der SektVO ist geregelt, dass die sachdienlichen Unterlagen zu jedem Auftrag aufbewahrt werden müssen. Dabei müssen die Unterlagen so ausführlich sein, dass zu einem späteren Zeitpunkt mindestens folgende Entscheidungen nachvollzogen und gerechtfertigt werden können.
- Qualifizierung und Auswahl der Teilnehmer sowie Zuschlagerteilung,
- Rückgriff auf Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Teilnahmewettbewerb
- Nichtanwendung der Sektorenverordnung aufgrund der Ausnahmen nach Teil 4 des GWB und
- Gründe, aus denen andere als elektronische Kommunikationsmittel für die elektronische Einreichung verwendet werden.
Zur Orientierung können die in der VgV aufgeführten Unterlagen herangezogen werden. Zudem ist auch in der SektVO klargestellt, dass die Dokumentation mindestens drei Jahre ab dem Tag des Zuschlags und ansonsten bis zum Ende der Vertragslaufzeit oder Rahmenvereinbarung aufzubewahren ist. Hinsichtlich der Aufbewahrung von Kopien gilt dasselbe wie im Rahmen von der Vergabe von Liefer-und Dienstleistungen.