1.5 Bieterrechte / Rechtsschutz

Rechtsschutz

Überblick

Nicht immer werden die vergaberechtlichen Bestimmungen eingehalten. Um den beteiligten Unternehmen aber ein durchsetzbares, faires Vergabeverfahren zu ermöglichen, sind ihnen umfassende Rechtsschutzmöglichkeiten an die Seite gestellt. Dabei wird unterschieden zwischen dem Primär- und dem Sekundärrechtsschutz, wobei der Fokus in den folgenden Ausführungen auf dem Primärrechtsschutz liegen soll.

Unbeschadet der Prüfungsmöglichkeiten von Aufsichtsbehörden unterliegt die Vergabe von öffentlichen Aufträgen oberhalb des Schwellenwertes der Nachprüfung durch die Vergabekammern. Damit wird Unternehmen in erster Instanz ein besonderer Rechtsschutz zur Verfügung gestellt, mit dem sie Vergabeverfahren von Vergabekammern in Form einer erstinstanzlichen gerichtsähnlichen Behörde nachprüfen lassen können. In zweiter Instanz ist dies vor den Beschwerdegerichten möglich. Den Bietern stehen insoweit subjektive Rechte auf Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen zu.

Ziel dieses Primärrechtsschutzes ist es, eine bestehende Rechtsverletzung zu beseitigen und so die Rechte des Bieters auf ein faires Vergabeverfahren durchzusetzen. Fehler im laufenden Vergabeverfahren können so behoben werden, bevor sich diese erhärten und schwere Folgen eintreten. Schäden auf Seiten des Bieters können somit vermieden werden, wenn dieser den potenziellen Vergaberechtsverstoß beim Auftraggeber rügt und im Falle einer erfolglosen Rüge das Nachprüfungsverfahren vor der zuständigen Vergabekammer einleitet. Damit wird das Vergabeverfahren gestoppt. Diese Folge zeigt, dass eine Nachprüfung nach Zuschlagserteilung nicht mehr möglich ist, sondern zwingend in dem Stadium davor zu erfolgen hat. Nur dann tritt die Wirkung eines (vorläufigen) Zuschlagsverbots ein.

Im Rahmen des Sekundärrechtsschutzes können Bieter Schadensersatzansprüche gegenüber dem Auftraggeber vor den ordentlichen Gerichten geltend machen. Als Grundlagen kommen Ansprüche aus § 181 GWB oder aus vorvertraglichem Vertrauensverhältnis in Betracht. Schadensersatzansprüche des Auftraggebers gegenüber Bewerbern und Bietern wegen Rechtsmissbrauchs sind in § 180 GWB geregelt.

 

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1.5.1Rüge 1.5.1Rüge

Wenn der Bewerber oder Bieter den Vergaberechtsverstoß erkennt, kann er nicht sofort den Rechtsschutz der Vergabekammer in Anspruch nehmen. Vielmehr bedarf es des Versuches, dass der Auftraggeber selbst wieder rechtmäßige Zustände herstellt, weshalb ihm diese Chance mittels der Rüge gegeben wird. Der Rüge kommt somit gegenüber dem Auftraggeber eine Art „Warnfunktion“ zu. Dass der Auftraggeber selbst Abhilfe bzw. Korrektur schaffen kann, trägt auch zur Entlastung der Vergabekammern bei, was sich wiederum positiv auf die Dauer der anhängigen Verfahren auswirken kann. Ein Nachprüfungsantrag kann nicht gestellt werden, falls der Antragsteller nicht von der Rügeobliegenheit Gebrauch gemacht hat, es fehlt ihm im Hinblick auf die von ihm nicht gerügten Verstöße das für das Nachprüfungsverfahren notwendige Rechtsschutzbedürfnis. Der Bieter soll nicht erst dann rügen, wenn er glaubt, den Zuschlag nicht zu erhalten und so den Hinweis auf den erkannten Vergaberechtsverstoß aus taktischen Gründen „verschleppt“. Der Antragsteller darf nicht die Möglichkeit haben, Verstöße zu „sammeln“, um sie dann in einem Nachprüfungsverfahren gegen den Auftraggeber geltend machen zu können. Das Nachprüfungsverfahren wäre insoweit nicht zulässig und ein nicht gerügter Vergaberechtsverstoß wird folglich gegenüber dem Bewerber oder Bieter als vergaberechtskonform angesehen. Der Antragsteller ist für die Erfüllung der Rügeobliegenheit darlegungs- und beweispflichtig, während der Auftraggeber die Kenntnis des Antragstellers vom Verstoß, den Zeitpunkt der Kenntniserlangung und die Erkennbarkeit des Verstoßes nachweisen muss. Auch ist es nicht möglich, einen erst gestellten Nachprüfungsantrag im Nachhinein in eine Rüge umzudeuten.

Die Rüge kann auch zurück genommen werden. Dies geschieht durch eine einseitige Erklärung gegenüber dem Auftraggeber. Zu beachten ist jedoch, dass der Nachprüfungsantrag folglich auch nicht mehr zulässig sein kann, wenn die Rüge zurückgenommen wurde.

Die Rüge ist in engen Ausnahmefällen entbehrlich, insbesondere wenn:

  • der Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union vergeben wurde, ohne dass dies auf Grund des Gesetztes gestattet war (de-facto-Vergabe),
  • vom Vergaberechtsverstoß erst im Laufe des Nachprüfungsverfahrens Kenntnis erlangt wird, dann besteht auch keine Verpflichtung, die Rüge nachzuholen,
  • der Auftraggeber ernsthaft und endgültig die Fehlerkorrektur verweigert und nicht bloß den Verstoß in Abrede stellt oder
  • es sich um einen wiederholenden und bereits gerügten Vergaberechtsverstößen handelt (jedoch gilt dies nur, wenn dabei ein einheitliches Vergabeverfahren vorliegt).

Rügefristen

Der Antrag ist unzulässig, soweit der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrages erkannt und nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat.

Sind die Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Rahmen der Bekanntmachung erkennbar, muss er diese spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber rügen. Erkennt der Bieter den aus der der Bekanntmachung unmittelbar herausgehenden Verstoß, positive Kenntnis, hat er den Verstoß nach dem oben gesagten innerhalb von zehn Kalendertagen gegenüber dem Auftraggeber zu rügen.

Ähnlich verhält es sich in dem Fall, dass der Verstoß in den Vergabeunterlagen erkennbar ist. Ein derartiger Fall läge beispielsweise vor, wenn die falsche Vergabeart gewählt wurde oder die Wertungskriterien nicht in den Vergabeunterlagen aufgeführt sind. Auch in diesem Fall wäre der Nachprüfungsantrag unzulässig, wenn der Verstoß in den Vergabeunterlagen erkennbar war und der Bewerber dennoch ein Angebot abgibt, ohne diesen gegenüber dem Auftraggeber zu beanstanden.

Die Rüge muss bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe erfolgen. Der Antragsteller ist ansonsten nicht mehr schutzbedürftig und hat sein Recht auf Nachprüfung verwirkt. Wird die Angebotsfrist verlängert, verlängert sich auch die Rügefrist.

Erkennbarkeit bedeutet, dass die einen Rechtsverstoß begründenden Tatsachen und deren rechtliche Bewertung als Vergaberechtsverstoß aus der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen hervorgehen müssen. Der Maßstab, welcher an die Erkennbarkeit gesetzt wird, wird nicht ganz eindeutig gesehen. Zum einen ist ein objektiver Maßstab geboten, das heißt, dass die Rechtsverstöße bei üblicher Sorgfalt und den üblichen Kenntnissen von einem durchschnittlichen Unternehmen erkannt werden müssen. Aber auch ein subjektiver Maßstab ist hier zum anderen nach der Ansicht mancher Gerichte anzuwenden, so sei auch auf die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Unternehmens konkret abzustellen. Nach einer vermittelnden Ansicht ist ein objektiver Maßstab heranzuziehen, der die durchschnittlichen Erkenntnismöglichkeiten der angesprochenen Branche bzw. des angesprochenen Bieterkreises als Grundlage nimmt.

Zugang einer Rüge

Die Rüge muss innerhalb des oben genannten Zeitpunkts zugehen, der Antragsteller muss also die jeweilige Frist einhalten. Dabei ist zu beachten, dass die Rüge so in den Machtbereich des Empfängers gelangen muss, dass dieser sie unter normalen Umständen zur Kenntnis nehmen kann. Zugegangen ist sie, wenn die Kenntnisnahme durch den Empfänger möglich erscheint und nach der üblichen Verkehrsanschauung zu erwarten ist.

Form der Rüge

Die Rüge muss vom Antragsteller des Nachprüfungsverfahrens erhoben werden. Bei Bietergemeinschaften ist die Rüge durch sämtliche Mitglieder der Gemeinschaft zu erheben. In Form der Verfahrensstandschaft ist es aber auch möglich, dass nur einzelne Mitglieder rügen. Adressat der Rüge sind der Auftraggeber und gegebenenfalls die von ihm beauftragten Dritten, deren Handeln dem Auftraggeber zuzurechnen ist.

Hinsichtlich der Form sind keine genauen Anforderungen vorgesehen, so dass die Rüge mündlich, schriftlich, per Telefon, E-Mail oder Fax oder in sonstiger Weise erhoben werden kann. Beweispflichtig ist das rügende Unternehmen.

Inhaltliche Anforderung der Rüge

Die Rüge muss einen oder mehrere Verstöße gegen Vergabevorschriften zum Gegenstand haben, welche der Antragsteller erkannt hat oder welche aufgrund der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen erkennbar waren.

Die Rüge muss genau angeben, welcher Sachverhalt ihr zugrunde liegt und welches Verhalten konkret welchen Vergaberechtsverstoß impliziert. In Fällen, in denen dem Antragsteller nicht genügend Informationen vorliegen, muss er stattdessen den Verdacht, der einen Vergaberechtsverstoß nahe liegt, hinreichend aufführen. Jedenfalls genügt es nicht, nur positive Kenntnis von den Vergaberechtsverstoß begründenden Umständen in tatsächlicher Hinsicht zu haben, sondern es muss die Schlussfolgerung, dass hieraus ein Verstoß gegen zwingendes Recht folgt, vorgebracht werden.

Lediglich vorbereitende Handlungen des Auftraggebers können nicht gerügt werden, die Rüge muss Vergabeentscheidungen des Auftraggebers bzw. mindestens bestimmte Zwischenentscheidungen angreifen. Eine vorsorgliche oder pauschale Rüge, ohne konkreten Bezug zu einem Rechtsverstoß bzw. lediglich zur Beanstandung künftigen fehlerhaften Handelns des Auftraggebers, ist nicht wirksam.

Dass die Rüge nicht klar als solche bezeichnet wird, ist unerheblich. Auch bedarf es keiner genauen und vertieften Auseinandersetzung mit der rechtlichen Würdigung, so reicht eine oberflächliche rechtliche Wertung, dass eine Missachtung der vergaberechtlichen Bestimmungen vorliegt, aus.

Die Rüge muss eine Aufforderung zur Abhilfe enthalten. Zumindest muss der Auftraggeber sie so verstehen können, dass ihm durch die Rüge die Möglichkeit gegeben wird, den Verstoß zu beseitigen.

Nichtabhilfe einer Rüge

Der Auftraggeber kann mitteilen, ob er der Rüge abhelfen will. Sind mehr als 15 Kalendertage seit Eingang dieser Mitteilung vergangen, kann der Nachprüfungsantrag mangels Zulässigkeit ebenfalls nicht mehr gestellt werden.

1.5.2Nachprüfungsantrag 1.5.2Nachprüfungsantrag

Wenn der Rüge eines Bewerbers oder Bieters nicht abgeholfen wird, kann er bei der der zuständigen Vergabekammer einen Nachprüfungsantrag stellen. Dies muss regelmäßig vor Zuschlagserteilung erfolgen, aber auch wenn der Zuschlag bereits erteilt wurde und ein Vertrag geschlossen wurde, kann die Feststellung von dessen Unwirksamkeit beantragt werden, wenn der Auftrag nicht ausgeschrieben wurde. Zur Begründung des Antrags muss insbesondere der Vergaberechtsverstoß und der daraus entstandene Schaden oder drohende Schaden dargelegt werden.

Zuständigkeit der Vergabekammer

Der Anspruch auf Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen ist nur vor den Vergabekammern (und in zweiter Instanz vor den Beschwerdegerichten) geltend zu machen – dieser eigene Rechtsweg ist somit selbstständig und ausschließlich. Nur bei den oben aufgeführten Schadensersatzansprüchen kann vor den ordentlichen Gerichten Rechtsschutz gesucht werden (vgl. 1.5. Rechtsschutz).

Es muss also darauf geachtet werden, dass der Antrag bei der zuständigen Vergabekammer gestellt wird. Dabei wird zwischen sachlicher und örtlicher Zuständigkeit unterschieden.

Bei Vergabeverfahren, die dem Bund zuzurechnen sind (Maßnahmen, die überwiegend von diesem beherrscht, beaufsichtigt oder finanziert werden), wird die Zuständigkeit der Vergabekammern des Bundes begründet. Diese sind beim Bundeskartellamt eingerichtet. Derzeit sind dort zwei Vergabekammern angelegt.

Bei Vergabeverfahren der Länder sind die jeweiligen Vergabekammern der Länder zuständig.

In allen anderen Fällen wird die Zuständigkeit abhängig von dem Sitz des Auftraggebers bestimmt. Bei länderübergreifenden Beschaffungen benennen die Auftraggeber in der Vergabebekanntmachung nur eine zuständige Vergabekammer (vgl. 2.3.3. Vergabebekanntmachung).

Dabei ist kein rügeloses Einlassen der Parteien möglich. Auch kann die falsche Angabe der Vergabekammer in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen nicht die Zuständigkeit der richtigen Vergabekammer begründen. Eine unzuständige Vergabekammer bleibt mithin unzuständig. Sie kann jedoch den Antrag an die zuständige Vergabekammer verweisen, wobei dies eine Zwischenentscheidung darstellt, die keine mündliche Verhandlung erfordert. Gegen diese Zwischenentscheidung kann nicht mittels der sofortigen Beschwerde vorgegangen werden.

Inhalt des Nachprüfungsantrags

Der Nachprüfungsantrag muss den gesetzlichen Anforderungen an Form und Inhalt entsprechen. Demnach ist der Antrag schriftlich bei der Vergabekammer einzureichen und unverzüglich zu begründen. Die Begründung muss die Bezeichnung des Antragsgegners, eine Bezeichnung der behaupteten Rechtsverletzung mit Sachverhaltsdarstellung und die Bezeichnung der verfügbaren Beweismittel enthalten sowie darlegen, dass die Rüge gegenüber dem Auftraggeber erfolgt ist. Die Begründung soll, soweit bekannt, die sonstigen Beteiligten benennen. Der Antrag soll ein bestimmtes Begehren enthalten.

Der Antragsteller muss antragsbefugt sein, was in seinem Antrag zum Ausdruck kommen muss. Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Für die Geltendmachung der Verletzung seiner Rechte genügt es im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Verfahrens, wenn der Antragsteller die Verletzung schlüssig darlegt.

Der Antragsteller muss darlegen, dass er den Verstoß gegen Vergabevorschriften rechtzeitig gerügt hat.

Der Antragssteller muss in seinem Antrag weiterhin darlegen, dass ein Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften möglicherweise vorliegt. Dieser Verstoß muss sich bereits in einer Verfahrenshandlung des Auftraggebers manifestiert haben. Weiterhin ist vom Antragsteller aufzuführen, dass ihm durch die Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht nur dann, wenn der Vortrag des Antragstellers schlüssig darlegt, dass die Aussichten des Antragsstellers auf eine Berücksichtigung seines Angebotes oder die Erteilung des Zuschlages beeinträchtigt wurden oder dass die Chancen seines Angebotes oder die Chance auf einen Zuschlag zumindest verschlechtert worden sein könnten.

Der Antragsteller muss ein unmittelbares Interesse am öffentlichen Auftrag haben. Dies ist in der Regel der Fall bei Bewerbern, Bietern, potentiellen Auftragnehmern und Hauptunternehmen, jedoch nicht bei z.B. Nachunternehmern oder Planern, welche regelmäßig nur ein mittelbares Interesse an dem Auftrag haben.

Es ist hierfür keine anwaltliche Vertretung erforderlich.

Antragsfrist / Rechtzeitigkeit

Der Antrag muss innerhalb der Antragsfrist eingereicht werden. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller innerhalb von 15 Kalendertagen nach Eingang der Mitteillung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, den Antrag eingereicht hat. Bei der Antragsfrist handelt es sich um eine Ausschlussfrist.

Grundsätzlich ist der Nachprüfungsantrag rechtzeitig, also vor Zuschlagserteilung, einzureichen und vor der Vergabekammer dem Auftraggeber zuzustellen. Wurde der Zuschlag bereits erteilt, ist ein Nachprüfungsantrag regelmäßig unzulässig, es sei denn, es handelt sich um besondere Ausnahmesituationen, z.B. eine nicht bekannt gemachte Direktvergabe. Dann muss infolge der Erledigung ein Feststellungsantrag gestellt werden, woraufhin die Kammer prüfen muss, ob der Antragsteller bis zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung in seinen Rechten verletzt war.

1.5.3Nachprüfungsverfahren 1.5.3Nachprüfungsverfahren

Durch das Nachprüfungsverfahren soll die Transparenz des Vergabeverfahrens, die Chancengleichheit und ein effektiver Rechtsschutz der Bewerber und Bieter sichergestellt werden. Ein Nachprüfungsverfahren wird von der Vergabekammer aber nur auf Antrag eingeleitet. Es erfolgt also nicht von Amts wegen.

Eröffnung des Rechtswegs

Der Rechtsweg vor der Vergabekammer ist eröffnet, wenn der Gegenstand des Verfahrens die Vergabe eines öffentlichen Auftrages oder einer Konzession betrifft, die Schwellenwerte überschritten sind und kein Ausnahmetatbestand vorliegt (vgl. 1.1. Anwendung des Vergaberechts). Es besteht kein Zugang zum Nachprüfungsverfahren, wenn der Auftraggeber außerhalb des Vergabeverfahrens Handlungen vornimmt. Unterhalb der EU-Schwellenwerte kann nicht der hier beschriebene Rechtsschutz vor den Nachprüfungskammern in Anspruch genommen werden.

Pflicht zur Entscheidung innerhalb von fünf Wochen

Die Entscheidung der Vergabekammer, insbesondere der schriftlichen Begründung, hat wegen des Beschleunigungsgrundsatzes grundsätzlich innerhalb von fünf Wochen ab Eingang des Antrags zu ergehen. In der Praxis bereitet die Einhaltung dieses Zeitraumes jedoch häufig Schwierigkeiten. So kann von der Ausnahme durch eine schriftlich begründete Verfügung durch den Vorsitzenden Gebrauch gemacht werden, dass bei Vorliegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten im Ausnahmefall die Frist durch Mitteilung an die Beteiligten um den benötigten Zeitraum verlängert wird.

Ablauf eines Nachprüfungsverfahrens

Das Nachprüfungsverfahren beginnt auf Initiative des Unternehmens mit der Antragstellung. Die Vergabekammer prüft, nachdem der Antrag bei ihr eingegangen ist, ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben sind, das heißt, ob Zuständigkeit, Statthaftigkeit, Form, Inhalt, Antragsbefugnis und Einhaltung der Rügeobliegenheit sowie der Antragsfristen bejaht werden können.

Im nächsten Schritt erfolgt die Überprüfung, ob der Antrag offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist. Ist er dies, wird der Auftraggeber gar nicht erst über den Nachprüfungsantrag in Kenntnis gesetzt und dieser zurückgewiesen.

Sofern der Nachprüfungsantrag nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist, wird dem Auftraggeber eine Kopie des Antrags übermittelt. Ab diesem Zeitpunkt tritt als Rechtsfolge das Zuschlagsverbot ein und dem Auftraggeber ist es verwehrt, das Vergabeverfahren abzuschließen. Die Vergabekammer fordert die Vergabeakte beim Auftraggeber an, welche das Vergabeverfahren abschließend dokumentiert.

Der Auftraggeber hat die Vergabeakten der Kammer zur Verfügung zu stellen. Den am Nachprüfungsverfahren Beteiligten stehen ab diesem Zeitpunkt auch Rechte und Pflichte zu. So steht ihnen grundsätzlich das Recht auf Akteneinsicht zu (vgl. 1.5.5. Akteneinsicht). Daneben sind sie verpflichtet, den Sachverhalt aktiv durch ihre Mitwirkung aufzuklären. Davon unabhängig untersucht die Vergabekammer den Sachverhalt auch von Amts wegen. Sie prüft dabei u.a., ob eine Beiladung in Betracht kommt. Weiterhin trifft sie eine Entscheidung über den Umfang der Akteneinsicht und setzt Fristen, an die sich die Beteiligten halten müssen. So wird dem Beschleunigungsgrundsatz genüge getan. Den Beteiligten wird aber stets ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Bestandteil des Nachprüfungsverfahrens ist grundsätzlich auch eine mündliche Verhandlung. es besteht aber für die Vergabekammer auch die Option, nach Lage der Akten zu entscheiden.

Die Entscheidung der Vergabekammer ergeht als Beschluss. Möchten die Beteiligten die Entscheidung angreifen, so steht ihnen hier das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu.

Beteiligte eines Nachprüfungsverfahrens

Verfahrensbeteiligte sind der Antragsteller, der Auftraggeber als Antragsgegner sowie die Unternehmen, deren Interessen durch die Entscheidung schwerwiegend berührt werden und die deshalb von der Vergabekammer im Wege der Beiladung durch Anordnung hinzugezogen werden.

Antragsteller sind in der Regel Unternehmen, Bewerber, Bieter bzw. Bietergemeinschaften, grundsätzlich nicht Unterauftragnehmer (Nach-oder Subunternehmer), Zulieferer oder Vorlieferanten.

Beigeladene können weitere Unternehmen, Bewerber, Bieter oder sonstige Dritte sein, mithin all jene, die potenzieller Auftragnehmer sein könnten oder deren Interessen durch die Nachprüfungsentscheidung erheblich und unmittelbar tangiert werden. In der Regel handelt es sich um den von der Vergabestelle für den Zuschlag vorgesehenen Bieter. Enthält der Nachprüfungsantrag weitere namentlich genannte Bieter, die der Antragsteller angreift, so müssen auch diese die Chance bekommen, ihre jeweiligen subjektiven Rechte wahrzunehmen und sind folglich beizuladen.

Durch die Beteiligung bzw. Beiladung wird sichergestellt, dass die von der Vergabekammer getroffene Entscheidung die Belange und Argumente der Betroffenen berücksichtigt.

Sind die wirtschaftlichen Interessen des Beizuladenden berührt, so ist dies eine fakultative Beiladung, wobei der Vergabekammer im Hinblick auf die Entscheidung über die Beiladung ein Ermessensspielraum zusteht. Hat die Entscheidung der Vergabekammer aber rechtsgestaltende Wirkung (verändert sie also unmittelbar die Rechtslage des Bieters), ist ein Fall der notwendigen Beiladung gegeben.

Soweit sie ihm bekannt sind, sollte der Antragsteller alle Beteiligten, also auch die Beigeladenen, in seinem Nachprüfungsantrag benennen, aber auch der Antragsgegner kann eine Beiladung anregen oder die Vergabekammer kann infolge ihrer Untersuchungen im Rahmen der Amtsermittlung auf sie stoßen. Die Regelungen über die Beiladung dienen der Verfahrensbeschleunigung und -konzentration, da so Parallelverfahren und eventuell dadurch entstehende Widersprüchlichkeiten vermieden werden können. Aus Gründen der Prozessökonomie sollte die Anzahl der Verfahrensbeteiligten aber gering gehalten werden.

Ein Beigeladener hat dieselben Rechte wie die Hauptbeteiligten, ihm stehen dieselben Angriffs- und Verteidigungsmöglichkeiten zur Verfügung. So kann er auch Akteneinsicht nehmen und (in der Verhandlung) Sachanträge stellen, was gerade hinsichtlich der Kosten sinnvoll ist. Er wird zu Terminen geladen. Seine erlangte Rechtsstellung hat auch noch Wirkung in zweiter Instanz bzw. im Beschwerdeverfahren. Der Beigeladene ist nämlich beschwerdebefugt, da die rechtliche Bindungswirkung einer Nachprüfungsentscheidung sich auch auf ihn erstreckt. Über den Verfahrensgegenstand kann der Antragsteller aber weiterhin ohne Rücksicht auf den Beigeladenen disponieren. Jedoch ist es dem Beigeladenen in der Regel nicht verwehrt, auch einen eigenen Nachprüfungsantrag zu stellen. Die Beiladung wirkt sich zudem erheblich auf das Kostenrisiko des Antragstellers aus.

Die Beigeladenen erhalten so rechtliches Gehör und die Möglichkeit, ihre Interessen durchzusetzen. Ihren Rechten wird ausreichend Rechnung getragen.

Ebenso ist es möglich, dass die Beiladung erst im Rahmen der sofortigen Beschwerde erfolgt (vgl. 1.5.6. Sofortige Beschwerde).

Die Entscheidung über die Beiladung ergeht durch Verwaltungsakt und ist unanfechtbar, gegen sie kann wegen des Beschleunigungsgrundsatzes also nicht vorgegangen werden. Jedoch kann die Vergabekammer selbst diese Zwischenentscheidung abändern oder aufheben.

Suspensiveffekt eines Nachprüfungsverfahrens

Der Suspensiveffekt resultiert aus dem Zuschlagsverbot und trägt dem Bieterrechtsschutz Rechnung. Die Zustellung des Nachprüfungsantrags beim Auftraggeber bewirkt, dass dieser nicht den Zuschlag erteilen darf, bevor in der Sache durch die Vergabekammer entschieden wurde und die Beschwerdefrist gegen diese Entscheidung abgelaufen ist. Bis zur Entscheidung handelt es sich um ein schwebendes bzw. ausgesetztes Vergabeverfahren, dessen Ausgang ungewiss ist. Der Vergabestelle steht es frei, Vorbereitungen zu treffen, sie darf aber keinesfalls das Verfahren in irgendeiner Weise erschweren. Wenn der Auftraggeber infolge der Antragstellung Fehler behebt, ist die (Teil-) Erledigung die Folge.

Wird trotz des gesetzlichen Verbots der Zuschlag erteilt, so ist dieser nichtig und kann keine Wirkungen entfalten. Das Zuschlagsverbot erlischt erst mit Rechtskraft der Entscheidung der Vergabekammer.

Nur in den Fällen eines erfolgreichen Eilverfahrens tritt kein Suspensiveffekt ein.

Erforschung des Sachverhalts durch die Vergabekammer

Es gilt der Amtsermittlungs- bzw. Untersuchungsgrundsatz. Das bedeutet, dass es nicht einzig den Parteien überlassen ist, den Sachverhalt aufzuklären und alle Beweismittel beizuschaffen, sondern die Vergabekammer über das Parteivorbringen hinaus ermittelt. Die Vergabekammer hat darauf hinzuwirken, dass noch vorhandene Formfehler beseitigt, unklare Anträge näher dargelegt, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden. Bleiben allerdings Unklarheiten bestehen, so geht dies in der Regel zu Lasten derjenigen Partei, die sich darauf berufen hat. Die Vergabekammer orientiert sich zunächst am Vorbringen des Antragstellers und stellt dann eigene Ermittlungen an. Auch wenn sich erst im Laufe des Verfahrens weitere Gesichtspunkte auftun, denen nachgegangen werden muss, kann die Kammer erst zu diesem Zeitpunkt eigene Nachforschungen betreiben.

Um sich in das Verfahren einzuarbeiten, ist es unerlässlich, dass die Vergabekammer die Akten beim Auftraggeber abfordert. Im Folgenden kann sie diejenigen Ermittlungen durchführen und diejenigen Beweise erheben, die notwendig sind. Hierbei wird auf die kartellrechtlichen Bestimmungen Bezug genommen. Die Kammer kann alle Maßnahmen treffen, welche sie im konkreten Fall für erforderlich erachtet, wie zum Beispiel Auskünfte einholen, die Herausgabe von Unterlagen einfordern, Beweismittel in Beschlag nehmen, wenn diese als Beweismittel für die Ermittlung von Bedeutung sein könnten oder die Vereidigung von Zeugen beantragen. Im Falle der Vereidigung von Zeugen hat die Kammer das Amtsgericht zu ersuchen, wenn sie die Vereidigung zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage für erforderlich hält. Über die Vereidigung entscheidet allerdings das Amtsgericht.

Mündliche Verhandlung

Die Vergabekammer trifft ihre Entscheidung grundsätzlich aufgrund einer durchgeführten mündlichen Verhandlung, in welcher die Beteiligten Gelegenheit bekommen, sich zu äußern. Dabei handelt es sich regelmäßig nur um einen einzigen Termin, um das Verfahren nicht unnötig in die Länge zu ziehen. Dies gilt selbst dann, wenn die Beteiligten im Termin nicht erschienen oder ordnungsgemäß vertreten sind, denn eine Terminsverlegung soll nur ausnahmsweise erfolgen. In Einzelfällen können auch mehrere Verhandlungstermine anberaumt werden.

Die Vergabekammer kann aber auch nach Aktenlage entscheiden, wenn die Beteiligten zustimmen oder wenn es sich um einen unzulässigen oder offensichtlich unbegründeten Antrag handelt.

Verhandlungen vor der Vergabekammer sind nicht öffentlich und rein auf die Beteiligten beschränkt, auch die Medien dürfen daran nicht teilnehmen.

Die Vergabekammer entscheidet in vollständiger Besetzung, das heißt mit einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern (wovon einer ehrenamtlich tätig ist), sofern die Kammer das Verfahren dem Vorsitzenden oder dem hauptamtlichen Beisitzer nicht zur alleinigen Entscheidung übertragen hat. Die Übertragung ist nur möglich, wenn die Sache keine wesentlichen Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht aufweist und die Entscheidung nicht von grundsätzlicher Bedeutung sein wird. Die Mitglieder der Kammer werden dabei für eine Amtszeit von jeweils fünf Jahren bestellt. Sie üben ihre Tätigkeit unabhängig aus und sind nur dem Gesetz unterworfen.

Eilverfahren vor der Vergabekammer

Der Suspensiveffekt hat die Folge, dass er die Vergabe des Auftrags gefährden kann, was zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen führen kann (vgl. 1.5.3. Nachprüfungsverfahren). Der Auftraggeber kann daher einen Antrag auf Durchführung eines Eilverfahrens stellen, um den Zuschlag vorab gestattet zu bekommen und so den Auftrag vergeben zu können. Antragsbefugt ist neben dem Auftraggeber auch das Unternehmen, das den Zuschlag erhalten soll. Bei dem Eilrechtsschutzverfahren handelt es sich um ein Zwischenverfahren, welches nur eine Interessenabwägung zum Gegenstand hat.

Die Vergabekammer gewichtet alle möglicherweise geschädigten Interessen und kann auch auf die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags in der Hauptsache abstellen. Bei der Abwägung ist das Interesse der Allgemeinheit an einer wirtschaftlichen Erfüllung der Aufgaben des Auftraggebers zu berücksichtigen. Im Endergebnis muss sich eindeutig herausstellen, dass die Nachteile, die durch eine Verzögerung des Verfahrens aufgrund des Zuschlagsverbots eintreten würden, die Vorteile der Aussetzung des Vergabeverfahrens bis zum Abschluss der Nachprüfung, welche gerade vor dem Hintergrund der Interessen des Antragstellers bestehen, überwiegen. Gerade ein von dem Auftraggeber vorgetragener Termindruck kann dabei oftmals nicht Berücksichtigung finden. Auch wenn der Auftraggeber eine knappe Terminierung selbst (mit-)verursacht hat, kann basierend auf diesem Grund nicht der Zuschlag vorab gestattet werden. Das Vorbringen eines bloßen Vermögensnachteils ist ebenso grundsätzlich nicht geeignet, eine Vorabgestattung zugunsten des Auftraggebers zu realisieren. Wird vom Auftraggeber auf drohende Schäden abgestellt, die bei einer Aussetzung des Vergabeverfahrens entstehen würden, sind diese konkret und glaubhaft darzustellen. Denn lediglich abstrakte oder hypothetische Folgen eines Schadens reichen nicht aus.

Trifft die Vergabekammer die Entscheidung, das Zuschlagsverbot aufzuheben, was vor allem bei offensichtlicher Unzulässigkeit oder Unbegründetheit des Nachprüfungsantrages der Fall ist, wird dem Auftraggeber gestattet, den Zuschlag nach Ablauf von zwei Wochen nach Bekanntmachung der Entscheidung über das Zuschlagsverbot, zu erteilen. In diesem Fall kann der benachteiligten Bewerber oder Bieter (ursprüngliche Antragsteller) beim Beschwerdegericht ein Antrag auf Wiederherstellung des Zuschlagsverbots stellen. Gelangt die Vergabekammer zu dem Entschluss, das Zuschlagsverbot bestehen zu lassen, was gerade bei nicht abschließend ausgeräumten Zweifeln der Vergabekammer geboten ist, so kann der Auftraggeber dies angreifen, indem er beim Beschwerdegericht die Gestattung des sofortigen Zuschlags beantragt.

Eine Frist ist im Rahmen des Eilrechtsschutzes nicht einzuhalten, allerdings kann der Antrag naturgemäß nur bis zur endgültigen Entscheidung der Kammer in der Hauptsache gestellt werden. Eine mündliche Verhandlung wird im Eilverfahren nicht durchgeführt. Die Beteiligten erhalten aber in ausreichender Form rechtliches Gehör.

Entscheidung Vergabekammer

Die Vergabekammer ist kein Gericht nach dem Gerichtsverfassungsgesetz, so dass sie auch keine Urteile, sondern Entscheidungen trifft. Die Vergabekammer entscheidet, ob eine Rechtsverletzung auf Seiten des Antragstellers vorliegt und trifft die Maßnahmen, welche geeignet sind, um die Rechtverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Dabei untersagt sie entweder die Zuschlagserteilung, oder gibt dem Auftraggeber auf, die Wertungsentscheidung unter Beachtung der Auffassung der Vergabekammer zu wiederholen. Die Aufhebung der kompletten Ausschreibung ist stets ultima ratio.

Die Vergabekammer ist in ihrer Entscheidung nicht an die Anträge gebunden, so dass sie auch unabhängig davon Einfluss auf das Vergabeverfahren nehmen kann. Dies ist etwa in den Fällen relevant, in denen die gerügten Verstöße sich nicht als rechtswidrig erweisen, die Vergabekammer infolge ihrer Untersuchung jedoch einen nicht gerügten, aber erheblichen und rechtswidrigen Verstoß des Auftraggebers aufdeckt. Eine allgemeine Rechtskontrolle muss zwar nicht erfolgen, eine zweckmäßigere Entscheidung als der beantragten Weise entsprechend aber nach Möglichkeit herbei geführt werden. Ebenso muss ihre Entscheidung verhältnismäßig sein. Zu berücksichtigen hat die Vergabekammer aber, dass der Vergabestelle ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum zusteht.

Die Entscheidung der Vergabekammer entfaltet materielle Rechtskraft, das heißt sie entfaltet inhaltlich Bindungswirkung. Sie ergeht durch einen Verwaltungsakt. Hinsichtlich der Vollstreckung dieses Verwaltungsakts ist das jeweilige Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes und der Länder anzuwenden.

Beschleunigungsgrundsatz. Die Entscheidung der Vergabekammer, insbesondere der schriftlichen Begründung, hat wegen des Beschleunigungsgrundsatzes innerhalb von fünf Wochen ab Eingang des Antrags zu ergehen. In der Praxis bereitet die Einhaltung dieses Zeitraumes jedoch häufig Schwierigkeiten. So kann durch eine schriftlich begründete Verfügung, dass bei Vorliegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten im Ausnahmefall die Frist durch Mitteilung an die Beteiligten um den benötigten Zeitraum verlängert wird, durch die Vergabekammer Gebrauch gemacht werden.

Zulässigkeit. Die Vergabekammer prüft, ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen, wie insbesondere

vorliegen. Bei Unzulässigkeit wird der Antrag verworfen und dem Auftraggeber keine Kopie des Antrags zugestellt.

Begründetheit. Der Nachprüfungsantrag ist begründet, wenn

  1. der Auftraggeber die für den streitgegenständlichen öffentlichen Auftrag geltenden Vergabevorschriften bzw. Bestimmungen über das Vergabeverfahren nach § 97 Abs. 6 GWB nicht eingehalten hat und
  2. dadurch der Antragsteller in seinen subjektiven Bieterrechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt ist.

Dabei ergeht keine eigene Sachentscheidung durch die Vergabekammer. Ist der Antrag zulässig und begründet, ergreift die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, durch welche die Rechtsverletzung beseitigt und eine Schädigung der betroffenen Interessen verhindert wird.

Ist der Antrag unbegründet, wird er zurückgewiesen.

Erledigung. Da Nachprüfungsanträge bis zur Zuschlagserteilung zu stellen sind, bedeutet dies auch, dass ein bereits wirksam erteilter Zuschlag nicht aufgehoben werden darf. Davon sind die Fälle des § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB zu unterscheiden, in denen gerade kein wirksamer Zuschlag erteilt wurde. Dem liegt zugrunde, dass in dem Moment, in dem das Zuschlagsschreiben zugeht, der Vertrag mit dem begünstigten Bieter und dem Auftraggeber zustande kommt. Hat sich somit das Nachprüfungsverfahren durch die Zuschlagserteilung sowie desweiteren durch Aufhebung oder Einstellung des Vergabeverfahrens oder in sonstiger Weise erledigt, kann die Vergabekammer feststellen, ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat. Auch dazu bedarf es eines Antrags der Beteiligten. Es ist auch möglich, diesen Antrag hilfsweise, das heißt verknüpft mit dem Hauptantrag, zu stellen. Der Antrag muss ein Feststellungsinteresse des Antragstellers darlegen. Hier kann der Antragsteller beispielsweise anführen, dass die Möglichkeit zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Auftraggeber besteht. Diese wiederum setzen einen entstandenen oder drohenden Schaden voraus. Dies kann zum Beispiel auch ein erlittener Vertrauensschaden sein. Die hier getroffenen Feststellungen der Vergabekammer können auch im Hinblick auf einen späteren Schadensersatzprozess nützlich sein. Denn die Feststellungen der Vergabekammer entfalten Bindungswirkung für die Zivilgerichte. Die Regelung, dass die Vergabekammer innerhalb von fünf Wochen ab Eingang des Antrags zu entscheiden hat, gilt in diesem Fall nicht, da der Sinn und Zweck dieser Regelung, nämlich den Zuschlag hinauszuzögern, bereits weggefallen ist.

1.5.4Schutzschrift 1.5.4Schutzschrift

Zur Vorsorge kann der Auftraggeber einen Schriftsatz hinterlegen, welcher die Funktion einer vorweg genommenen Antragserwiderung hat, die sog. Schutzschrift. Diese allein leitet das Nachprüfungsverfahren nicht ein. Geht ein Nachprüfungsantrag ein, findet die Schutzschrift dergestalt Beachtung, dass sie prozessual wie ein gewöhnlicher Schriftsatz beachtet und von der Vergabekammer zur Kenntnis genommen wird. Die Vergabekammer bindet die Schutzschrift in die von ihr vorzunehmende Offensichtlichkeitsprüfung ein und kann den Antrag im Folgenden gegebenenfalls als unzulässig verwerfen bzw. als unbegründet ablehnen. In derartigen Fällen übermittelt die Vergabekammer dem Auftraggeber den Antrag dann nicht und informiert ihn auch nicht darüber. Somit tritt dann auch die Folge des Zuschlagsverbots (Suspensiveffekts) nicht ein.

1.5.5Akteneinsicht 1.5.5Akteneinsicht

Durch das Recht der Beteiligten auf Akteneinsicht soll das Ziel erreicht werden, die Transparenz des Vergabeverfahrens zu gewährleisten. Dies entfaltet gerade im Hinblick auf die Überprüfung der Kriterien für die Angebotsbewertung enorme Relevanz.

Die Vergabekammer trifft eine Entscheidung über die Akteneinsicht, in der sie diese entweder ganz oder teilweise gewährt oder den Beteiligten versagt.

Akten sind dabei in erster Linie die Vergabeakten sowie weitere Akten und Stellungnahmen der Beteiligten, aber auch beigezogene Akten von anderen Behörden und Gerichten (vgl. 1.2. Dokumentation / Vergabevermerk). Unklar ist in der Rechtsprechung bisher, ob auch Entwürfe, Vorbereitungsarbeiten und Abstimmungspapiere darunter zu zählen sind.

Einsichtsort sind in der Regel die Diensträume der Vergabekammer, wobei es in der Praxis so gehandhabt wird, dass die Vergabekammer Kopien an die Beteiligten versendet. Organisatorische Schwierigkeiten seitens der Vergabekammer dürfen keinen Grund für eine Verweigerung der Einsichtnahme sein.

Umfang und Reichweite der Akteneinsicht

Der Anspruch auf Akteneinsicht reicht nur so weit, wie es für den einzelnen Beteiligten im Hinblick auf die Durchsetzung seiner Rechte erforderlich ist. Dies impliziert (allerdings nicht ganz unstreitig), dass bei einem unzulässigen oder unbegründeten Nachprüfungsantrag kein Anspruch auf Akteneinsicht besteht bzw. nur in dem Umfang, welcher die Frage abschließend beantwortet.

Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

Eine Versagung des Akteneinsichtsrechts kommt in Betracht, wenn wichtige Gründe vorliegen. Dies sind vor allem solche des Geheimschutzes oder jene zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen.

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge, welche nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind. Desweiteren muss der Rechtsträger ein Interesse daran haben, dass sie nicht offen gelegt oder gar verbreitet werden. Zum Beispiel fallen Kalkulationsunterlagen, Geschäftsbücher, Kundenkisten und Umsätze hierunter.

Das kann zu Konfliktsituationen führen, da hier ein Spannungsfeld zwischen der Offenlegung zugunsten eines transparenten Vergabeverfahrens und dem raschen Abschluss eines Vergabeverfahrens einerseits und dem Geheimhaltungsinteresse andererseits besteht. Im Einzelfall kann dieses nur durch eine umfassende Abwägung gelöst werden. Die Vergabekammer bezieht in diese Abwägung alle für und wider sprechenden Umstände mit ein, wie auch kollidierende Grundrechte. Unter Umständen müssen dann auch Interna oder Kalkulationsgrundlagen zugunsten des effektiven Rechtsschutzes offen gelegt werden. Eindeutig schützenswert sind die Geheimnisse aber dann, wenn die Offenlegung existenzbedrohende bzw. zumindest nachhaltige Folgen verursacht.

Es ist ebenfalls möglich, die Einsicht nur in bestimmte Teile der Akten zu versagen bzw. die entsprechenden schutzbedürftigen Passagen zu schwärzen.

Jeder Beteiligte hat mit der Übersendung seiner Akten und Stellungnahmen auf die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse hinweisen und diese in den Unterlagen dementsprechend kenntlich zu machen. Tut er dies nicht, wird seine Zustimmung fingiert, das heißt, die Vergabekammer kann von seiner Zustimmung auf Einsicht ausgehen. Gegebenenfalls nimmt die Vergabekammer Rückfragen hinsichtlich des Umfangs der Geheimhaltung vor oder – in seltenen Fällen – nimmt eine eigene Prüfung vor, auf dessen Grundlage sie die Einsicht versagt.

Alle Angebotsunterlagen pauschal als geheimhaltungsbedürftig zu kennzeichnen, ist nicht zulässig, sondern vielmehr als nicht relevant oder gar rechtsmissbräuchlich zu bewerten. Werden daher überwiegende Teile eines Angebots beispielsweise für geheimhaltungsbedürftig erachtet, ist es ratsam, die Gründe für die Geheimhaltung zu vermerken, um klarzustellen, dass keine Pauschalisierung erfolgt.

Zwischenentscheidung

Auf Antrag der Beteiligten wird die Entscheidung der Vergabekammer zum Akteneinsichtsrecht herbeigeführt. Es handelt sich dabei um eine Zwischenentscheidung. Sie stellt einen Verwaltungsakt dar und kann nicht angefochten werden.

Rechtsmittel

Wurde die Akteneinsicht nicht gewährt, so kann diese Entscheidung nicht selbstständig angegriffen werden, sondern nur kombiniert mit der sofortigen Beschwerde in der Hauptsache. Wurde die Akteneinsicht gewährt, kann auch bereits dagegen die sofortige Beschwerde erhoben werden, unter Umständen kommt – so nach Erledigung des ursprünglichen Begehrens - ein Fortsetzungsfeststellungsantrag in Betracht.

1.5.6Sofortige Beschwerde 1.5.6Sofortige Beschwerde

Die Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens können ihr bisheriges Ziel nach Abschluss des Nachprüfungsverfahrens mit der sofortigen Beschwerde weiter verfolgen, indem sie den Inhalt der Entscheidung der Vergabekammer anfechten, weil er für sie rechtlich nachteilige Folgen hat. Beispielsweise kann der Antragsteller die Entscheidung anfechten, wenn dem Nachprüfungsantrag nicht stattgegeben wurde. Hier weicht die Entscheidung von seinem Antrag zu seinen Ungunsten ab. Die sog. formelle Beschwer liegt vor. Diese wird im Unterliegensfall in der Regel immer anzunehmen sein. Sie ist zu unterscheiden von der sog. materiellen Beschwer, welche zu bejahen ist, wenn der jeweilige Verfahrensbeteiligte durch die von der Vergabekammer getroffene Entscheidung unmittelbar und zudem individuell in nachteiliger Weise betroffen ist. Grundsätzlich beinhaltet die formelle auch die materielle Beschwer.

Über die Beschwerde entscheidet das für den Sitz der Vergabekammer zuständige OLG. Jeder Beteiligte kann sie erheben, nicht beigeladene Unternehmen sind also von der Erhebung der Beschwerde ausgeschlossen. Beschwerdegegenstand sind alle Entscheidungen der Vergabekammer, auch die Kostenentscheidung oder die Feststellungsentscheidungen, nachdem Erledigung  eingetreten ist (vgl. 1.5.3. Nachprüfungsverfahren).

Bei Verzug oder Untätigkeit der Vergabekammer kann ebenfalls die sofortige Beschwerde erhoben werden. Dabei ist auf die Fünf-Wochen-Frist abzustellen, innerhalb derer die Vergabekammer zu entscheiden bzw. auf den Zeitraum, der zur Fristverlängerung gesetzt wurde.

Form / Frist / Inhalt

Die Beschwerde ist schriftlich innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung der Vergabekammer bei dem zuständigen OLG einzulegen.

Die Frist beginnt jedoch nur an zu laufen, wenn eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung der Entscheidung der Vergabekammer beigefügt ist.

Die Beschwerde muss mit ihrer Einlegung zusammen begründet werden und muss mindestens folgende Punkte enthalten:

  • die Erklärung inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird,
  • die Angabe der Tatsachen und Beweismittel auf die sich die Beschwerde stützt.

Es herrscht Anwaltszwang, da man dadurch den juristischen Erfordernissen in der zweiten Instanz umfassend gerecht werden kann. Handelt es sich bei dem Beschwerdeführer nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts, muss die Beschwerde von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein

Wirkung

Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Das bedeutet, dass die Entscheidung der Vergabekammer in dieser Zeit nicht vollstreckbar ist. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Bedingung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern. Andernfalls könnte der Auftraggeber nach zwei Wochen den Zuschlag erteilen.

Rechtsvorschriften

GWB § 173 Wirkung
1.5.7Kosten und Gebühren 1.5.7Kosten und Gebühren

Für die Durchführung eines Verfahrens vor der Vergabekammer oder vor dem Beschwerdegericht fallen Kosten an, welche die unterlegene Partei des Verfahrens zu tragen hat. Will ein Unternehmen ein Nachprüfungsverfahren anstrengen, hat es für die Bearbeitung seines Nachprüfungsantrages einen Kostenvorschuss an die Vergabekammer zu zahlen.

Vergabekammer

Für Amtshandlungen der Vergabekammern werden Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben, um den Verwaltungsaufwand zu decken. Das Verwaltungskostengesetz kommt dann zur Anwendung. Die Gebühren werden nach dem Kostendeckungsprinzip bestimmt unter Berücksichtigung des Aufwands und der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache. Die Gebühr beträgt mindestens 2500 Euro, wobei der Betrag aus Billigkeitsgründen auf ein Zehntel ermäßigt werden kann. Eine Ermäßigung kann zum Beispiel in Betracht kommen, wenn die Vergabekammer eine Entscheidung nach Aktenlage bei bereits unzulässigen Anträgen vornimmt. Insgesamt soll die Gebühr den Betrag von 50.000 Euro nicht überschreiten. Hat sich der Antrag vor der Entscheidung erledigt, ist die Hälfte der Gebühr zu entrichten.

Die Bemessung erfolgt nach allgemeinen Grundsätzen im Gebührenrecht, wobei es auf die Bedeutung der gebührenpflichtigen Handlung ankommt und zudem der personelle und sachliche Aufwand Berücksichtigung finden. In der Praxis wird sich in der Regel an der Angebotssumme orientiert.

Beschwerdegericht

Das Beschwerdeverfahren, welches vor den ordentlichen Gerichten ausgetragen wird, verursacht ebenso gerichtliche, aber auch außergerichtliche Kosten. Dabei ergeht von Amts wegen eine Kostengrundentscheidung. Die Kosten werden entsprechend der Regelungen der §§ 103 – 107 ZPO festgesetzt. Die Aufwendungen des Beigeladenen werden diesem nur ersetzt, wenn er sich zur Sache eingelassen und durch Antragstellung am Verfahren beteiligt hat.

Kosten der Verfahrensbeteiligten

Dadurch, dass zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung Aufwendungen anfallen, entstehen den Verfahrensbeteiligten (also auch dem Beigeladenen) Kosten. Dabei handelt es sich in erster Linie um Rechtsanwaltskosten, da die Beteiligten auf einen vergaberechtlich kompetenten Rechtsanwalt angewiesen sind, der ihre Interessen gerade vor dem Hintergrund der oftmals kurz bemessenen Fristen durchsetzt.

Kostentragung

Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die gesamten Kosten zu tragen. Mehrere Kostenschuldner haften als Gesamtschuldner. Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden. Die Entscheidung, wer im Fall der Erledigung die Kosten zu tragen hat, erfolgt nach billigem Ermessen.

Soweit ein Beteiligter im Nachprüfungsverfahren unterliegt, hat er auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu tragen. In dem Falle von teilweise Obsiegen und unterliegen werden die Kosten in verhältnismäßiger Weise geteilt. Die Aufwendungen der Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, soweit sie die Vergabekammer aus Billigkeit der unterlegenen Partei auferlegt. Allerdings kommt es im Rahmen der Beiladung darauf an, ob der Beigeladene selber Anträge stellt. Tut er dies nicht, muss er seine Kosten vor der Vergabekammer selber tragen und wird auch nicht dazu verpflichtet, die Kosten des Antragstellers zu übernehmen, wenn dieser obsiegt.

Die Aufwendungen des Beigeladenen werden diesem auch im Beschwerdeverfahren nur ersetzt, wenn er sich zur Sache eingelassen und durch Antragstellung am Verfahren beteiligt hat.

1.5.8Schadensersatzansprüche 1.5.8Schadensersatzansprüche

Im Rahmen eines Vergabeverfahrens können sowohl Schadensersatzansprüche der interessierten bzw. beteiligten Unternehmen gegen den Auftraggeber im Rahmen des Sekundärrechtsschutzes als auch Schadensersatzansprüche des Auftraggebers gegenüber Bewerbern und Bietern wegen Rechtsmissbrauchs entstehen.

Schadensersatzansprüche des Auftragnehmers / Sekundärrechtsschutz

Es besteht auch die Möglichkeit, Ansprüche im Rahmen des Sekundärrechtsschutzes mit der Intention, Schadensersatz zu erlangen, durchzusetzen. Dies ist vor dem Hintergrund sinnvoll, dass der Zuschlag bereits erteilt wurde und eine Nachprüfung bzw. Rückabwicklung nicht mehr in Frage kommt.

Verstößt der Auftraggeber gegen vergaberechtliche bieterschützende Vorschriften, hat der unterlegene Bieter einen Anspruch auf Schadensersatz für die durch Vorbereitung des Teilnahmeantrags und / oder des Angebots entstandenen Kosten gemäß § 181 GWB. Dieser Schadensersatzanspruch erstreckt sich somit auf Bieter, die eine echte Chance auf den Zuschlag hatten und überhaupt am Vergabeverfahren teilgenommen haben. Da die Vergabekammern jedoch zu dieser Überprüfung nicht befugt sind, ist hierfür das Zivilgericht zuständig, § 13 GVG. Dieses überprüft die Vergabeentscheidung nachträglich und spricht dem Bieter ggf. Schadensersatz zu. Dieser zielt grundsätzlich auf die Erstattung der tatsächlich entstandenen Kosten (positives Interesse) ab.

Neben der gesetzlichen Regelung im GWB, die verschuldensunabhängig ist, ist es auch möglich, aus vorvertraglichen Vertrauensverhältnissen herrührende Schäden infolge schuldhaft begangener Pflichtverletzungen auf Grundlage der zivilrechtlichen Figur der culpa in contrahendo (c.i.c.) geltend zu machen, §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB. Ist zum Beispiel eine Ausschreibung ohne hinreichenden Grund aufgehoben worden, kann daraus ein vorvertraglicher Schadensersatzanspruch resultieren. Denn mit der Einleitung eines Vergabeverfahrens wird ein Vertrauensverhältnis begründet, das die Pflicht zur Rücksichtnahme auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Bieter beinhaltet. So kann ein Vertrauensschaden auch daraus resultieren, dass der Auftraggeber die Angebotsbearbeitungskosten geltend macht, weil er auf die Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften vertraut hat. In Ausnahmefällen kann dieser Schadensersatzanspruch auch den entgangenen Gewinn desjenigen Bieters umfassen, der das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat.

Schadensersatzansprüche des Auftraggebers

Der Auftraggeber kann Schadensersatzansprüche gegenüber Unternehmen geltend machen, wenn sich der Nachprüfungsantrag oder die sofortige Beschwerde als von Anfang an ungerechtfertigt erweisen bzw. wenn das Antrags- oder Beschwerderecht missbraucht werden, etwa durch

  • Erwirkung der Aussetzung des Vergabeverfahrens durch vorsätzlich oder grob fahrlässig vorgetragene falsche Angaben,
  • die Beantragung der Überprüfung mit dem Ziel, das Vergabeverfahren zu behindern oder Konkurrenten zu schädigen und
  • die Antragstellung in der Absicht vorzunehmen, den Antrag später gegen Geld oder andere Vorteile zurückzunehmen.

Zwischen dem Missbrauch und dem eingetretenen Schaden muss ein kausaler Zusammenhang bestehen. Dies ist dann zu bejahen, wenn die missbräuchliche Handlung nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der eingetretene Schaden entfiele. Zuständig sind die Zivilgerichte.