Überblick
Das GWB sieht die Möglichkeit der Kündigung eines öffentlichen Auftrags während der Vertragslaufzeit durch den Auftraggeber aus vergaberechtlichen Gründen vor. Gesetzlich geregelt ist nsbesondere ein Lösungsrecht des Auftraggebers von einem öffentlichen Auftrag in jenen Fällen, in denen ein Festhalten am Vertrag das öffentliche Interesse an der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aus vergaberechtlichen Gründen beeinträchtigen würde. Vor diesem Hintergrund kann sich für Auftraggeber sogar die Pflicht ergeben, eine Kündigung von vertraglichen Vereinbarungen vorzunehmen.
Bei einer Kündigung handelt es sich um eine einseitige Willenserklärung – hier seitens des Auftraggebers –, die empfangsbedürftig ist und die auf die Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses gerichtet ist. Das heißt, dass eine Kündigungsmöglichkeit nur dann besteht, wenn sich aus dem betreffenden Vertrag fortdauernde Pflichten für den Auftragnehmer ergeben. Sofern die vertragliche Verpflichtung des Auftragnehmers lediglich in der einmaligen Erbringung einer Leistung besteht, ist der Vertrag nach dem vertragsgemäßen Austausch von Leistung und Gegenleistung erfüllt, § 362 BGB, und mithin nicht mehr kündbar.
Ein „vergaberechtliches Kündigungsrecht“ besteht insbesondere, wenn
- eine wesentliche Änderung vorgenommen wurde, die ein neues Vergabeverfahren erfordert hätte (vgl. 3.2.1. Grundsatz: Neues Vergabeverfahren bei wesentlicher Änderung; 3.2.2. Ausnahme 1: Wesentliche Auftragsänderung ohne neues Vergabeverfahren; 3.2.3 Ausnahme 2: Geringfügige Änderungen – Schwellenwertunterschreitung / 10 %- bzw. 15 %-Klausel),
- zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung ein zwingender Ausschlussgrund vorlag (vgl. 2.4.2. Prüfung Eignung) oder
- der öffentliche Auftrag aufgrund einer schweren Verletzung der Verpflichtungen aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union oder aus den Vorschriften der vierten Teils des GWB, die der Europäische Gerichtshof in einem Verfahren nach Art. 258 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgestellt hat, nicht an den Auftragnehmer hätte vergeben werden dürfen.
Die in § 133 Abs. 1 GWB aufgezählten Kündigungsgründe sind nicht abschließend. Vielmehr erweitern diese benannten Kündigungsgründe die bereits bisher bestehenden Möglichkeiten zur Kündigung öffentlicher Aufträge. Neben der nun gesetzlich geregelten „vergaberechtlichen Kündigungsmöglichkeit“ bestehen weiterhin die vertraglich vereinbarten und / oder gesetzlichen Kündigungsrechte für den Auftraggeber fort. So können die Parteien beispielsweise vertraglich ein Kündigungsrecht für bestimmte Fälle vereinbaren oder ein gesetzlich geregeltes Kündigungsrecht geltend machen (z. B. die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund, § 314 BGB).
Ebenfalls besteht neben diesem „vergaberechtlichen Kündigungsrecht“ die Möglichkeit der Nichtigkeit eines Vertrages zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer für den Fall, dass der Auftraggeber im Rahmen des Vergabeverfahrens, das zu dem betreffenden Vertragsschluss geführt hat, bewusst vergaberechtswidrig gehandelt hat und er kollusiv mit dem Auftragnehmer zusammenwirkt. Diese Umstände führen, sofern sie vorliegen, zu einer Nichtigkeit des geschlossenen Vertrags gemäß § 138 BGB. Sofern ein Vertrag nichtig ist, entfallen jegliche Vergütungs-, Rückforderungs- und Gewährleistungsansprüche für beide Vertragsparteien.
Das „vergaberechtliche Kündigungsrecht“ besteht unbeschadet neben einer möglichen Feststellung der Unwirksamkeit eines öffentlichen Auftrags (vgl. 2.5.8. Zuschlag).
Unwirksam ist ein Vertrag hiernach, wenn der Auftraggeber
- gegen die Informations- und Wartepflicht verstoßen hat (Nr. 1) oder
- den Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union vergeben hat, ohne dass dies ausnahmsweise gestattet war (Nr. 2)
und dieser Verstoß in einem Nachprüfungsverfahren festgestellt worden ist. Die Unwirksamkeit kann nur dann in einem Nachprüfungsverfahren festgestellt werden, wenn sie innerhalb von 30 Kalendertagen nach der Information der betroffenen Bewerber und Bieter durch den Auftraggeber und spätestens sechs Monate nach Vertragsschluss im Nachprüfungsverfahren geltend gemacht wird. Sofern der Auftraggeber die Auftragsvergabe im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gemacht hat (vgl. 2.3.3. Vergabebekanntmachung), kann die Unwirksamkeit des Vertrags nur binnen 30 Kalendertagen nach Veröffentlichung der Bekanntmachung der Auftragsvergabe erfolgen.
Die Unwirksamkeit des öffentlichen Auftrags tritt jedoch nicht ein, wenn
- der Auftraggeber der Ansicht ist, dass die Auftragsvergabe ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union zulässig ist,
- der Auftraggeber eine Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht hat, mit der er die Absicht bekundet hat, den Vertrag abzuschließen und
- der Vertrag nicht vor Ablauf einer Frist von mindestens zehn Kalendertagen nach der Veröffentlichung der Bekanntmachung abgeschlossen wurde.
Wesentliche Änderung
Eine wesentliche Änderung eines öffentlichen Auftrags ist eine Änderung, die dazu führt, dass sich der öffentliche Auftrag erheblich von dem tatsächlich vergebenen öffentlichen Auftrag unterscheidet (vgl. 3.2.1. Grundsatz: Neues Vergabeverfahren bei wesentlicher Änderung). Eine solche wesentliche Änderung liegt insbesondere dann vor, wenn
- eine Bedingung eingeführt wird, die die Zulassung anderer Unternehmen ermöglich hätte, die Annahme eines anderen Angebotes zugelassen hätte oder das Interesse weiterer Unternehmen an der Teilnahme am Verfahren geweckt hätte,
- das wirtschaftliche Gleichgewicht des öffentlichen Auftrages zugunsten des Auftragnehmers verschoben wird,
- sich der Umfang des öffentlichen Auftrages erheblich ausweitet oder
- ein neuer Auftragnehmer den ursprünglichen Auftragnehmer ersetzt.
Rechtsvorschriften
Kein Vorliegen von § 132 Abs. 2 GWB
Der Kündigungsgrund aus § 133 Abs. 1 Nr. 1 GWB setzt voraus, dass eine wesentliche Änderung vorliegt. Insofern darf die wesentliche Änderung nicht ausnahmsweise zulässig sein (vgl. 3.2.2. Ausnahme 1: Wesentliche Auftragsänderung ohne neues Vergabeverfahren).
Kein Kündigungsgrund liegt somit dann vor, wenn zwar eine Änderung des öffentlichen Auftrags gegeben ist, diese jedoch ausnahmsweise ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zulässig ist, da
- in den ursprünglichen Vergabeunterlagen eindeutig formulierte Überprüfungsklauseln oder Optionen vorgesehen sind, die Angaben zu Art, Umfang und Voraussetzungen möglicher Auftragsänderungen enthalten und sich aufgrund der Änderung des öffentlichen Auftrags der Gesamtcharakter des Auftrags sich nicht verändert,
- zusätzliche Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen erforderlich geworden sind, die nicht in den ursprünglichen Vergabeunterlagen vorgesehen waren, ein Wechsel des Auftragnehmers jedoch aus wirtschaftlichen oder technischen Grünend nicht erfolgen kann und mit erheblichen Schwierigkeiten oder beträchtlichen Zusatzkosten für den Auftraggeber verbunden wäre und der Preis um nicht mehr als 50 % des Werts des ursprünglichen Auftrags erhöht wird,
- die Änderung aufgrund von Umständen erforderlich geworden ist, die der Auftraggeber nicht vorhersehen konnte und sich aufgrund der Änderung des öffentlichen Auftrags der Gesamtcharakter des Auftrags sich nicht verändert und der Preis um nicht mehr als 50 % des Werts des ursprünglichen Auftrags erhöht wird,
- ein neuer Auftragnehmer den bisherigen Auftragnehmer aufgrund einer Überprüfungsklausel oder im Wege einer Unternehmensumstrukturierung ersetzt oder
- der Auftraggeber selbst die Verpflichtungen des Hauptauftragnehmers gegenüber seinen Unterauftragnehmern übernimmt.
Rechtsvorschriften
Kein Vorliegen von § 132 Abs. 3 GWB
Der Kündigungsgrund aus § 133 Abs. 1 Nr. 1 GWB setzt voraus, dass eine wesentliche Änderung vorliegt, die kein neues Vergabeverfahren erforderlich macht. Insofern darf die wesentliche Änderung nicht ausnahmsweise zulässig sein (vgl. 3.2.3. Ausnahme 2: Geringfügige Änderungen – Schwellenwertunterschreitung / 10 %- bzw. 15 %-Klausel).
Kein Kündigungsgrund liegt somit dann vor, wenn zwar eine Änderung des öffentlichen Auftrags gegeben ist, diese jedoch ausnahmsweise ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zulässig ist, da sich der Gesamtcharakter des Auftrags nicht ändert und der Wert der Änderung
- die jeweiligen Schwellenwerte nicht übersteigt und
- bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen nicht mehr als 10 % und bei Bauaufträgen nicht mehr als 15 % der ursprünglichen Auftragswertes beträgt.
Ein vergaberechtliches Kündigungsrecht nach § 133 Abs. 1 Nr. 2 GWB besteht, wenn zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung ein zwingender Ausschlussgrund vorlag (vgl. 2.4.2. Prüfung Eignung).
Dabei ist es unerheblich, ob der öffentliche Auftraggeber im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung Kenntnis vom Vorliegen des zwingenden Ausschlussgrundes hatte oder nicht. Ausreichend für das Bestehen dieses Kündigungsrechts ist, dass
- im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung ein zwingender Ausschlussgrund vorlag und
- der öffentliche Auftraggeber zu einem späteren Zeitpunkt von diesem Kündigungsgrund Kenntnis erlangt.
Diese Regelung stärkt die Stellung der zwingenden Ausschlussgründe (vgl. 2.4.2. Prüfung Eignung), indem nunmehr auch noch nach Zuschlagserteilung aufgrund des Vorliegens zwingender Ausschlussgründe im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung eine Beendigung des bestehenden Vertrages möglich ist.
Unberührt von diesem Kündigungsgrund bleibt die zivilrechtliche Möglichkeit, den Vertrag gemäß § 119 ff. BGB wegen anzufechten.
Eine Anfechtung kann durch den Auftraggeber formlos gegenüber dem Auftragnehmer erklärt werden, vgl. § 143 BGB. Es muss unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden, dass der geschlossene Vertrag wegen eines sog. Willensmangels des Auftragnehmers nicht gelten soll und er somit an dem Vertrag nicht mehr festhalten möchte.
Als Grund, der zu einer solchen Anfechtung berechtigt, kommt in Fällen, in denen im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung ein zwingender Ausschlussgrund bestand, insbesondere die arglistige Täuschung nach § 123 BGB in Betracht.
Ein Vertrag ist in Bezug auf das Vorliegen zwingender Ausschlussgründe zivilrechtlich anfechtbar, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber im Rahmen des Vergabeverfahrens arglistig getäuscht hat. Eine arglistige Täuschung liegt in diesem Fall dann vor, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber über das Bestehen bzw. Nichtbestehen zwingender Ausschlussgründe täuscht oder eine diesbezügliche fälschliche Annahme des Auftraggebers aufrecht erhält. Arglistig ist eine Täuschung dann, wenn der Auftragnehmer vom Vorliegen zwingender Ausschlussgründe Kenntnis hatte, die Täuschung also vorsätzlich erfolgt. Eine Täuschung kann durch die Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen oder durch deren Verschweigen erfolgen.
Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB kann binnen eines Jahres ab Kenntnis von dem Irrtum und dem arglistigen Verhalten des Auftragnehmers erfolgen, vgl. § 124 Abs. 1 und 2 BGB.
Eine Anfechtung darf nicht aufgrund einer Bestätigung des nichtigen Rechtsgeschäfts gemäß §144 Abs. 1 BGB oder aus Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ausgeschlossen sein.
Rechtsfolge einer erfolgten Anfechtung ist, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag von Anfang an (ex tunc) nichtig ist, vgl. § 142 Abs. 1 BGB. Das heißt insbesondere, dass das bereits Geleistete gemäß § 812 BGB zurückverlangt werden kann. Denkbar sind hierneben Ansprüche seitens des Auftraggebers aus
- § 823 Abs. 1 BGB,
- § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB und
- § 826 BGB
sowie des Schadensersatzpflicht des Anfechtenden nach § 122 BGB, also ein möglicher Schadensersatzanspruch seitens des Auftragnehmers.
Ein Kündigungsgrund besteht für den Auftraggeber auch dann, wenn
- der öffentliche Auftrag aufgrund eines schweren Verstoßes gegen die Verpflichtungen, welche sich aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union oder den Regelungen des GWB über die Durchführung von Vergabeverfahren (4. Teil des GWB) ergeben, nicht an den Auftragnehmer hätte vergeben werden dürfen
- und der Europäische Gerichtshof diesen Verstoß festgestellt hat.
Für Auftraggeber bestand schon bislang nach der Rechtsprechung des EuGH die Pflicht, einen unionsrechtswidrig zu Stande gekommenen Vertrag, der noch läuft, zu beenden. Diese Pflicht zur Beendigung eines Vertrags, der unionsrechtswidrig zu Stande gekommen ist, besteht auch weiterhin.
Dies bedeutet insbesondere, dass Auftraggebern aus dem Kündigungsgrund des § 133 Abs. 1 Nr. 3 GWB die Möglichkeit erwächst, einen Vertrag schon vor einer entsprechenden Feststellung im EU-Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AUEV zu kündigen, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu vermeiden bzw. zu beseitigen und um ein ansonsten drohendes Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission zu verhindern.
Das Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV setzt sich aus zwei Phasen zusammen,
- dem Vorverfahren und
- dem gerichtlichen Verfahren.
Im Rahmen des Vorverfahrens werden ein Mahnschreiben und eine begründete Stellungnahme an den Auftraggeber gerichtet, zu denen dieser Stellung beziehen und gegen die er sich verteidigen kann. Der Auftraggeber hat auch die Möglichkeit, die Vertragsverletzung zu beseitigen. Sofern im Vorverfahren keine Einigung erzielt werden kann, da der Auftraggeber auf der begründeten Stellungnahme inhaltlich nicht nachkommt, kann das gerichtliche Verfahren durch Klageerhebung eingeleitet werden.
Grundsatz – Vergütung der bisherigen Leistung
Eine Kündigung beendet ein Schuldverhältnis grundsätzlich nur für die Zukunft. Grundsätzlich hat eine Kündigung hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen keine Auswirkungen auf bisher erbrachte Leistungen. Das heißt, dass im Fall einer Kündigung der Auftragnehmer auch weiterhin Anspruch auf jenen Teil der Gegenleistung hat, der sich auf die bereits erbrachten Leistungen bezieht.
Sofern ein Auftraggeber also einen Vertrag mit einem Auftragnehmer – ordentlich oder fristlos – kündigt, steht dem Auftragnehmer dennoch für die von ihm bisher erbrachten Leistungen der entsprechende Teil der Vergütung zu. Diese Wertung dient einem angemessenen Interessenausgleich zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer; der Auftraggeber kann das Vertragsverhältnis beenden, der Auftragnehmer wird aber zumindest für die bisher erbrachten Leistungen angemessen entlohnt. Der Auftraggeber trägt somit das wirtschaftliche Risiko dafür, dass vergaberechtliche Gesichtspunkte einer weiteren Durchführung des Vertrags entgegenstehen, nicht allein.
Die „vergaberechtliche Kündigungsmöglichkeit“ ist hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen insofern ähnlich aufgebaut wie § 628 Abs. 1 S. 1 BGB.
Ausnahme – Leistung infolge der Kündigung für den öffentlichen Auftraggeber nicht von Interesse
Zwar besteht auch im Fall der Kündigung die Vergütungspflicht des Auftraggebers für bereits durch den Auftragnehmer erbrachte Leistungen fort. Das GWB sieht hierfür jedoch auch eine Ausnahme vor.
Sofern im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung ein zwingender Ausschlussgrund vorlag (vgl. 2.4.2. Prüfung Eignung; 3.3.3. Kündigungsgrund – Zwingender Ausschlussgrund), steht dem Auftragnehmer kein Anspruch auf Vergütung der bereits erbrachten Leistungen zu, wenn seine bisher erbrachten Leistungen infolge der Kündigung für den Auftraggeber nicht von Interesse sind.
Diese Möglichkeit der Beschränkung oder gar des kompletten Entfallens der auftraggeberseitigen Vergütungspflicht erscheint insbesondere vor dem Hintergrund sachgerecht, als ein zwingender Ausschlussgrund in der Regel die Verurteilung wegen einer schweren Straftat voraussetzt.
Bisher erbrachte Leistungen sind – entsprechend der zivilrechtlichen Wertung in § 628 Abs. 1 S. 2 Var. 2 BGB – für den Auftraggeber dann nicht von Interesse, wenn sie für den Auftraggeber ohne Wert oder Vorteil sind. Ohne Wert und Vorteil sind erbrachte Leistungen nur dann, wenn sie für den Auftraggeber objektiv wertlos sind und der Auftraggeber die erbrachten Leistungen tatsächlich nicht nutzt. Nicht ausreichend ist hingegen, wenn die erbrachten Leistungen zwar objektiv wertlos sind, der Auftraggeber sie jedoch nutzt oder wenn der Auftraggeber die bereits erbrachten Leistungen zwar nicht nutzt, obwohl sie grundsätzlich wirtschaftlich verwertbar wären. Sofern die bereits erbrachten Leistungen vollkommen wertlos sind, entfällt der Vergütungsanspruch vollständig.
Die „vergaberechtliche Kündigungsmöglichkeit“ ist hinsichtlich dieser Rechtsfolgen insofern ähnlich aufgebaut wie § 628 Abs. 1 S. 2 Var. 2 BGB.
Schadensersatz
Macht der öffentliche Auftraggeber von seinem Kündigungsrecht Gebrauch, bleiben etwaige Schadensersatzansprüche, gemäß §§ 280 ff. BGB, unberührt.
Das Vorliegen eines Schadensersatzanspruchs setzt grundsätzlich
- das Bestehen eines Schuldverhältnisses (hier: in Form des zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer geschlossenen Vertrags),
- das Vorliegen einer Pflichtverletzung (z.B. in Gestalt der Nichterbringung einer Leistung trotz Fälligkeit und Durchsetzbarkeit nach § 281 Abs. 1 BGB oder durch Verletzung einer Pflicht i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB oder in Gestalt von Unmöglichkeit oder berechtigter Leistungsverweigerung nach §§ 275 Abs. 4, 283 BGB oder in Gestalt von Schuldnerverzug nach §186 BGB oder wegen anfänglicher Unmöglichkeit nach § 311 a Abs. 2 BGB),
- das sog. Vertretenmüssen, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB,
- etwaige zusätzliche Voraussetzungen sowie
- das Bestehen eines Schadens
voraus.
Verantwortlichkeit / Mitverschulden
Im Rahmen des Schadensersatzrechts können die Verantwortlichkeiten und das Mitverschulden der Beteiligten im Einzelfall gerecht gewertet werden.
Gemäß § 254 BGB hängen die Verpflichtung zum Ersatz eines entstandenen Schadens sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Regelung des § 254 BGB betrifft also den Fall, in dem der Geschädigte selbst den entstandenen Schaden zumindest teilweise mit verursacht hat. Bei der Beurteilung des Grades des Mitverschuldens ist im Einzelfall zu beachten, in welchem Umfang die Beteiligten zur Entstehung des Schadens beigetragen haben.